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Verkehrssicherungspflichten bei einer Zipline

Verkehrssicherungspflichten bei einer Zipline

OGH vom 25.01.2024, 4 Ob 223/23g:
Nach den Feststellungen benützte der Kläger im von den Beklagten betriebenen Hochseilpark eine knapp 200 Meter lange „Zipline“ entgegen der korrekten Einweisung durch Mitarbeiter der Beklagten und entgegen der konkreten Beschilderung an der Einstiegstelle zu dieser Station: Er hängte seinen Klettergurt nicht mit der primär vorgeschriebenen Seilrolle, sondern nur mit dem zusätzlich vorgeschriebenen Sicherungssystem („Smart Belay“-Rollkarabiner) in das Tragseil ein; die Seilverbindung (Seilstück und Karabiner) zwischen der Seilrolle und dem Hüftgurt war etwa 57 Zentimeter lang, die Verbindung zwischen Hüftgurt und den beiden „Smart Belay“-Rollkarabinern dagegen etwa 118 Zentimeter. Weiters versuchte der Kläger – entgegen der Einschulung, wonach man erst nachdem man sich in den Hüftgurt und das Seilstück zwischen diesem und der Seilrolle unter Spannung gesetzt hat (bei ruhender Belastung, statisch und nicht dynamisch), durch Abheben der Beine zu starten habe –, „mit zumindest leichter dynamischer Belastung“ zu starten. Aufgrund dieser Umstände sackte der Kläger beim Start so tief ab, dass er mit seinem Gesäß in einen im Hang 2,7 Meter von der Holzrampe (Startplattform) entfernten, mittig unterhalb des Seiles bergseitig 15 bis 20 (talseitig etwa 30) Zentimeter aus dem Boden ragenden Baumstumpf prallte und sich dadurch schwer verletzte. Wie der Kläger sonst startete, insbesondere dass er noch darüber hinaus „dynamisch“ in das Seil sprang oder stürzte, war nicht feststellbar.

Nach den weiteren Feststellungen wäre der Kläger mit dem Baumstumpf nicht kollidiert, sondern hätte einen Luftstand von 70 bis 75 Zentimetern darüber eingehalten, wenn er einschulungs- und beschilderungsgemäß korrekt auch mit der Seilrolle eingehängt gewesen und bei ruhender Belastung gestartet wäre.

Wäre der Kläger allerdings mit dynamischer Belastung (Hineinspringen; Hineinfallen, auch durch nicht mutwilliges Stolpern oder Ausrutschen) gestartet, wäre auch trotz korrekter Verwendung von Seilrolle und Sicherheitskarabiner eine Verringerung des Luftstandes in einem Ausmaß möglich gewesen, dass er mit dem Baumstumpf kollidiert wäre; dies war der Beklagten (ebenso wie der die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften prüfenden Nebenintervenientin) bei Durchführung einer Volllastprüfung auch vorab erkennbar.

Die Vorinstanzen lasteten den Beklagten aufgrund der soeben genannten Umstände eine Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflichten und dem Kläger ein Mitverschulden an, wobei sie eine Gewichtung von 1 : 2 zu Lasten des Klägers als angemessen erachteten. Es unterlassen zu haben, ein nicht nur bei nicht einschulungsgemäßem Gebrauch, sondern auch zufolge von Missgeschicken kollisionsgefährliches Hindernis zu entfernen, abzupolstern oder sonst abzusichern, habe unter den festgestellten Gegebenheiten letztlich geringeres Gewicht als die Sorglosigkeit des Klägers in eigenen Angelegenheiten, der die ausreichenden Schulungsanweisungen zur Verwendung der Sicherungssysteme und zum Startvorgang sowie entsprechende Hinweisschilder ignoriert habe.

Die außerordentliche Revision des Klägers zeigt dagegen keine aufzugreifende Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen auf.

Warum die rampenförmig schräg abfallende Gestaltung der Startplattform die Verkehrssicherungspflicht der Beklagten erhöhen sollte, weil Benützer dadurch „eher zu Fehlhandlungen verleitet“ würden, hat keine Grundlage in den Feststellungen; es ist auch nicht nachvollziehbar, welche Bedeutung dies über den von den Vorinstanzen ohnehin zu Lasten der Beklagten gewürdigten Umstand hinaus haben sollte, dass beim Start auch unter nicht durch eigenverantwortliches Handeln der Benützer beeinflussbaren Umständen eine Kollision mit dem Hindernis (Baumstumpf) möglich war. Dass in anderen Kletterparks Seilrutschen ohne Seilrollen und nur mit dem „Smart-Belay“-Sicherheitssystem benützt würden, wie die Revision behauptet, ist nicht festgestellt und wäre überdies angesichts des Sachverhalts, dass die Beklagten die Verwendung der Seilrolle gerade vorgeschrieben und den Kläger in diesem Sinne auch eingeschult haben, irrelevant.

Es ist zumindest vertretbar, angesichts von Unterweisungen und Warnschildern die Frage der Benützung der Seilrolle nicht als naheliegende und voraussehbare und daher weiterhin besonders zu überwachende Gefahrenquelle einzustufen (wie die Revision aber anstrebt): Entscheidend ist nach der Rechtsprechung nämlich, in welchem Ausmaß der Benützer der Einrichtung selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen kann. Warum dem Kläger dies konkret nicht gelungen ist, wird in seiner Revision nicht einmal angedeutet. In diesem Lichte ist es hier auch nicht korrekturbedürftig, es als erhebliches Eigenverschulden des Klägers (und nicht bloß als vernachlässigbaren Sorgfaltsverstoß, wie die Revision vermeint) zu werten, entgegen der Unterweisung und den deutlichen Hinweisschildern das Einhängen der primären Seilrolle einfach unterlassen zu haben.

Ein im Rechtsmittelverfahren erstmals angesprochenes „Herausfallen“ oder „Herausspringen“ der Seilrolle hat keinerlei Sachverhaltsgrundlage. Mit der in der Revision neuerlich ins Treffen geführten Entscheidung 6 Ob 91/12v hat sich schon das Berufungsgericht auseinandergesetzt. Dessen Einschätzung, das der dortige Sachverhalt mit dem vorliegenden nicht vergleichbar sei, ist ebenfalls zumindest vertretbar. Dort hatte eine erfahrene Sportkletterin durch ihre Erklärung, zwei völlig Unerfahrene in eine Kletterhalle „mitzunehmen“, diesen erst die Benützung der Kletterhalle eröffnet und freiwillig Sorgfaltspflichten übernommen; sie durfte sich deshalb nicht auf die gegenseitige Kontrolle der beiden Laien verlassen, zu deren Beaufsichtigung und Unterweisung sie sich verpflichtet hatte. Überdies unterließ der dortige Geschädigte anders als hier ihm gezeigte Sicherungsmaßnahmen nicht gänzlich, sondern wendete sie fehlerhaft an.

Im vorliegenden Fall hält es sich dagegen im Rahmen des den Gerichten im Einzelfall notwendigerweise zukommenden Beurteilungsspielraums, einerseits den Beklagten in Bezug auf die Unterweisung und Überwachung kein Verschulden, sondern nur die Unterlassung der Absicherung eines auch bei irrtümlich unsachgemäßer Benützung gefährlichen Hindernisses anzulasten, und andererseits das Mitverschulden des Klägers schwerer zu gewichten.

Unsere Meinung dazu

Eine recht salomonische Entscheidung des OGH. Wenn man liest, was der Benutzer der Zipline alles falsch gemacht hat, kann man eigentlich nur den Kopf schütteln. Dennoch hat auch der Betreiber nicht alles richtig gemacht. Daher Verschuldensteilung 2:1 zu Lasten des Klägers. Die größte Dummheit des Einen soll den anderen nicht davor schützen, selbst belangt zu werden.