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Haftung mehrerer Werkunternehmer

Haftung mehrerer Werkunternehmer

OGH vom 04.07.2023, 5 Ob 26/23v:
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden: Klägerin) beauftragte die Erstbeklagte am 29. Oktober/7. November 2003 mit umfangreichen Ingenieurleistungen für die Erweiterung einer Beschneiungsanlage (Planungs- und Bauausführung einschließlich behördlicher Bewilligungen, Ausschreibung und Auftragsvergabe, Detail- und Ausführungsunterlagen, örtliche Bauleitung und Bauaufsicht, statische Berechnung, Schalungs- und Bewehrungsplänen sowie Kollaudierung durch die Behörde). Außerdem beauftragte die Klägerin die Zweitbeklagte mit Erd- und Baumeisterarbeiten für die Errichtung des Speicherbeckens der Beschneiungsanlage (insbesondere Erdarbeiten, Wasserhaltungsarbeiten, Kanalisierungsarbeiten, Beton- und Stahlbetonarbeiten, Abdichtungen und Außenanlagen).

Das Speicherbecken wurde im Jahr 2004 errichtet. Anlässlich einer Begehung Anfang Oktober 2011 wurden zahlreiche Abweichungen des Speicherteichs von den eingereichten Projektunterlagen offenkundig und es folgten umfangreiche Untersuchungen und Beanstandungen. Insbesondere entsprach die Höhe und Steilheit des Damms (Böschungsneigung) nicht den Bewilligungen und die Ausführung der Rohrleitungen sowie die Dimensionierung des Einlaufbauwerks waren nicht fachgerecht. Die wesentliche Ursache für die zu steilen Dammböschungen und die über die Grenzhöhe von 15 m reichenden Dammhöhen war einerseits die nachträglich von der Klägerin gewünschte Verbreiterung der Dammkrone für deren Befahrbarkeit (von geplant und eingereicht zwei Metern auf sechs Meter) und andererseits der von der Klägerin im Zug der Baumaßnahmen mehrfach geäußerte Wunsch nach einem möglichst großen Speichervolumen, den die Zweitbeklagte zum Anlass nahm, entgegen den ihr übergebenen Plänen den Dammfuß im Südost-Bereich nach außen zu versetzen, was zu einer Erhöhung des Damms auf der Südost-Seite des Speicherbeckens führte. Für die Sanierung des Speicherteichs wendete die Klägerin im Jahr 2015 nach Planung und behördlichen Bewilligungen die acht Bauteilgruppen (Speichergeometrie West, Speichergeometrie Ost, Entnahmebauwerk, Sohlabdichtung, Böschungsabdichtung, Hochwasserentlastungsbauwerk, Grundablass und Schieberstation) zugeordneten Beträge von insgesamt 1.369.457,96 EUR auf.

Die Klägerin begehrte von den Beklagten den Ersatz der aufgewendeten Sanierungskosten sowie die Feststellung ihrer Haftung zur ungeteilten Hand für Schäden aus den nicht ordnungsgemäß erbrachten Leistungen im Zusammenhang mit der Erweiterung der Beschneiungsanlage durch Errichtung des Speicherbeckens. Für einen Teil der Sanierungskosten (711.291,91 EUR) hätten die Beklagten solidarisch zu haften, weil sich die Anteile am Schaden nicht bestimmen ließen. Darüber hinaus hafte die Erstbeklagte alleine für weitere 658.166,94 EUR, woraus sich insgesamt das Klagebegehren ergebe.

Nach der Rechtsprechung trifft mehrere zur Herstellung desselben Werks bestellte Unternehmer, auch wenn keiner von ihnen zum Generalunternehmer bestellt wurde, die Pflicht, alles zu vermeiden, was das Gelingen des Werks vereiteln könnte. Die – auf das Gelingen des Werks abzielende – Rechtsprechung zum „technischen Schulterschluss“ geht auch im Zusammenhang mit Schutz- und Sorgfaltspflichten von einer Kooperationsverpflichtung mehrerer auf einer Baustelle tätiger Unternehmen aus und diese Kooperationsverpflichtung umfasst auch Warnpflichten oder gegenseitige Aufklärungs- und Kontrollpflichten.

Der Sphäre des Werkbestellers gehören der von ihm beigestellte Stoff, die von ihm erteilten Anweisungen (§ 1168a letzter Satz ABGB) und alle sonstigen die Werkerstellung störenden, auf der Seite des Bestellers gelegenen Umstände an. Was unter Anweisung zu verstehen ist, lässt sich schwer allgemein bestimmen. Eine Anweisung im Sinn des § 1168a ABGB ist noch nicht jeder Wunsch des Bestellers, wohl aber liegt sie vor, wenn der Besteller dem Unternehmer nicht nur das eigene Ziel, nämlich das herzustellende Werk vorgibt, sondern wenn er auch die Art der Durchführung in der einen oder anderen Richtung konkret und verbindlich vorschreibt. Eine Warnung im Sinn des § 1168a ABGB muss erkennen lassen, dass die Anweisung des Bestellers das Misslingen des Werks zur Folge haben könnte. Unterlässt der Unternehmer die Warnung des Bestellers, so verliert er nicht nur den Anspruch auf Entgelt, sondern hat auch den weitergehenden Schaden zu ersetzen.

Grundsätzlich hat sich jeder Vertragspartner so zu verhalten, wie es der andere in der gegebenen Situation mit Rücksicht auf den konkreten Vertragszweck, die besondere Art der Leistung und die Erfordernisse eines loyalen Zusammenwirkens erwarten darf, damit die Erreichung des Vertragszwecks nicht vereitelt, sondern erleichtert und Schaden verhindert wird. Es trifft also bei gemeinsamer Herstellung eines Werks jeden Unternehmer die Pflicht, alles zu vermeiden, was dessen Gelingen vereiteln könnte; infolge des im Bauwesen typischen Zusammenwirkens von Bauherrn, bauausführenden Unternehmen und Sonderfachleuten besteht dort die regelmäßige Nebenpflicht zur Kooperation zwischen Werkbesteller und ausführenden Werkunternehmern mit gegenseitigen Aufklärungs-, Warn- und Kontrollpflichten.

Ein Anteil an der Schadenszufügung ist dann bestimmbar, wenn nachgewiesen wird, dass ein Schädiger in zurechenbarer Weise nur einen bestimmten Teil des Gesamtschadens verursacht hat. Lassen sich die Anteile am Schaden nicht bestimmen, so besteht nach § 1302 ABGB eine solidarische Haftung, ohne dass es auf das Ausmaß des jeweiligen Verschuldens ankäme.

Unsere Meinung dazu

Eigentlich geht es bei dieser Entscheidung nur am Rande darum, welcher Werkunternehmer wofür zu haften hat und wofür alle solidarisch haften. Dennoch hat der OGH dankenswerterweise klargestellt, dass alle an einem Werk beteiligten Unternehmer grundsätzlich zu Koordinierung ihrer Leistungen und zum "technischen Schulterschluss" verpflichtet sind. Der Elektriker soll sich also nicht auf den Installateur ausreden dürfen oder umgekehrt, beide sind verpflichtet zum Gelingen des Werks beizutragen und zusammenzuarbeiten. Das sollte man vielen Professionisten ins Stammbuch schreiben.