Immissionsabwehrklage gegen Mieter
Ferdinand Bachinger
Admin | 18. Juni 2023
OGH vom 19.04.2023, 3 Ob 21/23v:
Die Kläger wenden sich mit ihrer auf § 364 Abs. 2 (iVm § 523) ABGB gestützten Klage gegen (behauptete) Immissionen durch Eindringen von Abwasser über den Dachgully auf dem Pultdach des sich auf der Liegenschaft der Beklagten befindlichen Gebäudes in das Mauerwerk ihres Gebäudes. Die Beklagte ist Eigentümerin des Grundstücks, von dem die behaupteten Immissionen ausgehen. Mit Baurechtsvertrag vom 6. April 1983 räumte sie der Zweitnebenintervenientin für die Dauer von 35 Jahren das im Grundbuch einzuverleibende Baurecht ein, die (von der Erstnebenintervenientin als Bauunternehmerin) ein Gebäude mit Pultdach errichten ließ. In Punkt VI. des Baurechtsvertrags ist festgehalten, dass die Bauberechtigte in einem gesondert abzuschließenden Mietvertrag der Beklagten (für die Dauer des Baurechts) das Mietrecht am Gebäude einräumt. Die Beklagte hat das von ihr gemietete Gebäude der Freiwilligen Feuerwehr überlassen, die das Gebäude als Feuerwehrzeughaus nutzt.
Der Eigentümer eines mit einem Baurecht belasteten Grundstücks hat – aufgrund der zwingenden gesetzlichen Vorschriften für den Baurechtsvertrag grundsätzlich ungeachtet dessen konkreter Ausgestaltung – keine rechtliche Möglichkeit, dem Bauberechtigten gegenüber auf Abhilfe zu dringen. Mangels rechtlicher Einwirkungsmöglichkeit ist der für die Bejahung seiner Passivlegitimation erforderliche Sachzusammenhang zwischen Sachherrschaft und Immission daher nicht gegeben.
Im Anlassfall besteht die Immissionsquelle nach dem Vorbringen der Kläger im Gully auf dem Pultdach des der Zweitnebenintervenientin gehörenden Gebäudes. Die Einwirkung geht somit vom Gebäude auf dem Grundstück der Beklagten aus und ist damit grundsätzlich, ohne Hinzutreten besonderer Umstände, der Bauberechtigten zuzurechnen.
Fraglich ist, inwieweit die Beklagte eine Haftung als unmittelbare Störerin treffen kann. Dies ist insoweit denkbar, als die Beklagte in ihrer Stellung als Mieterin des Gebäudes den beeinträchtigten Zustand geschaffen hat oder eigenverantwortlich aufrechterhält.
Trifft die Beklagte nach dem Mietvertrag mit der Bauberechtigten die Verpflichtung zur Wartung bzw. Instandhaltung des Dachgullys samt dem Wasserablaufsystem und liegt die Immissionsursache in einer Verstopfung des Ablaufsystems, die durch eine Wartung bzw Instandhaltung beseitigt werden kann, so ist die Beklagte als Mieterin des Gebäudes für den störenden Zustand verantwortlich, weshalb ihre Passivlegitimation zu bejahen wäre.
Unsere Meinung dazu
Vorab zum überschaubar verständlichen Sachverhalt: Die Beklagte ist gleichzeitig Eigentümerin des Grundstücks und Mieterin des der Bauberechtigten gehörenden Gebäudes. Das Gebäude selbst wurde einer Freiwilligen Feuerwehr zur Nutzung als Zeughaus überlassen. Dem OGH zufolge hat die Eigentümerin keine rechtliche Möglichkeit, der Bauberechtigten gegenüber auf Abhilfe zu dringen. Als Mieterin (aufgrund des Mietvertrages mit der Bauberechtigten) aber sehr wohl. Wenn die Mieterin im Mietvertrag die Verpflichtung übernommen hat, das Wasserablaufsystem zu warten und Instand zu halten, ist sie für den störenden Zustand verantwortlich und haftbar. Im Ergebnis ist das richtig, weil die Mieterin unmittelbare Störerin ist. Richtigerweise wäre neben der Mieterin auch die Bauberechtigte (als Eigentümerin des Gebäudes) passiv legitimiert. Warum der Bauberechtigten nur der Streit verkündet worden ist, erschließt sich aus dem Sachverhalt leider nicht.