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Entzug von Licht bei Burganlagen

Entzug von Licht bei Burganlagen

OGH vom 28.03.2023, 4 Ob 44/23h:
Die Klägerin ist seit 2014 Eigentümerin von nach Osten ausgerichteten Hanggrundstücken, auf denen eine mittelalterliche Burg errichtet ist. Die Klagsgrundstücke sind von Grundstücken der Beklagten umgeben, die unstrittig seit jeher von (bis in die 1970er Jahre vorwiegend Nadel-, nunmehr Misch) Wald bestanden sind. Der Rechtsvorgänger der Beklagten hatte die Burggrundstücke in den 1960er Jahren an den Rechtsvorgänger der Klägerin verkauft, der in der Folge die Burg wieder aufbaute. Die Grundstücksgrenzen verlaufen teils in unmittelbarer Nähe der Burgmauern, teils in mehreren Metern Abstand.

In der Vergangenheit war die unmittelbare Umgebung der Burg von Baumbestand frei gehalten worden. Jedenfalls seit Mitte bis Ende der 1980er Jahre wuchs aber der Waldbestand bis an die Burgmauern heran. Die heute rund um die Burg vorhandenen Bäume wachsen dort seit zumindest dreißig Jahren; als die Klägerin die Liegenschaft im Jahr 2014 kaufte, waren die Bäume, die auch heute die Burg umgeben, bereits vorhanden. Der überwiegende Teil der auf den Grundstücken der Beklagten in der Nähe der Burg wachsenden Bäume hat heute eine Höhe von dreißig Metern oder mehr. Seit die Klägerin Eigentümerin ist, ist der umliegende Waldbestand aufgrund des natürlichen Wachstums höher geworden.

Dass sich neu hinzukommende Nachbarn mit der im Gebiet vorherrschenden Immission abfinden müssen, entspricht ständiger Rechtsprechung; das Berufungsgericht hat etwa bereits erkannt, dass jemand, der ein Grundstück samt Gebäude mitten im Wald erworben hat, nicht – gestützt auf § 364 Abs. 3 ABGB – die Beseitigung des Waldes fordern kann. Warum dies in einem Fall wie hier, bei dem es sich beim Gebäude um eine Burganlage handelt, grundsätzlich anders beurteilt werden sollte, ist nicht ersichtlich.

Die Klägerin legt das Schwergewicht ihrer Argumentation darauf, dass sie nicht mit dem „unbegrenzten Wachstum“ der Bäume bis zur „maximalen Wuchshöhe“ in Burgnähe habe rechnen müssen. Warum dies in einem seit jeher bestehenden Wald so sein sollte, legt sie allerdings nicht nachvollziehbar dar. Insbesondere wird in der Revision weder konkret begründet noch ist es ersichtlich, dass der Klägerin besondere Umstände zugute kämen, die ihren Unterlassungsanspruch begründen könnten. Solche Umstände wurden in der Rechtsprechung etwa in Fällen bejaht, in denen die Gefährdung von Personen und Sachen begründende Starkastüberhänge infolge mangelhafter Pflege des Baumbestands oder unbegrenzte waldwuchsartige Verwilderung in einem zuvor mit Jungbäumen gartenmäßig gestalteten geschlossenen Siedlungsgebiet feststanden.

Eine diesen Fällen vergleichbare Konstellation liegt hier nicht vor; der Unterlassungsanspruch richtet sich gegen die Beschattung eines seit jeher in einem Wald liegenden Bauwerks durch schon bei Erwerb des Grundstücks 2014 bereits jahrzehntelang (seit Mitte bis Ende der 1980er Jahre) dort wachsender Waldbäume, die – wie die Revision selbst in Erwägung zieht – beim Ankauf der Liegenschaft wohl bereits zwanzig Meter und mehr hoch waren.

Die Einschätzung des Berufungsgerichts, dass unter solchen Gegebenheiten der Entzug von Licht durch einen unmittelbar angrenzenden Wald – mit hohen Bäumen – ortsüblich ist, ohne dass es weiterer Vergleiche bedürfte, ist zumindest vertretbar; welchen Vergleich zur Ortsüblichkeit die Revision in diesem Zusammenhang vermisst, ist nicht nachvollziehbar.

Unsere Meinung dazu

Trotz eindeutigem Aufmacher geht es in dieser Entscheidung des OGH nicht um Burgen, sondern um die Natur, genauer gesagt um Wald. Wenn benachbarte Bäume im Zeitpunkt des Grundstückskaufs bereits 20 Meter hoch waren, kann der Nachbar nicht mehr geltend machen, dass sie ihm Licht entziehen; und zwar auch dann nicht, wenn sie bis zu ihrer natürlichen Endhöhe weiterwachsen. In diesem Fall hat das Wachstum von Bäumen seine Grenzen nur dort, wo sie Menschen oder Sachen gefährden. Ein Wald muss gepflegt werden, umgeschnitten werden muss er nicht. Dafür hat der Gesetzgeber § 364 Abs. 3 ABGB auch nicht geschaffen. Der OGH hat das zurecht klargestellt.