Abgas Abschaltvorrichtung und Gewährleistungsverzicht
Ferdinand Bachinger
Admin | 19. Februar 2023
OGH vom 15.12.2022, 3 Ob 148/22v:
Mit Kaufvertrag vom 10. November 2020 kaufte der Kläger vom Beklagten einen – erstmals am 18. März 2016 zum Verkehr zugelassenen – PKW der Marke BMW 330d mit einem Kilometerstand von 138.000 km zu einem Kaufpreis von 28.000 EUR. Zwischen den Parteien war allgemein vereinbart, dass die Gewährleistung ausgeschlossen ist. Zum Übergabezeitpunkt befand sich das Fahrzeug verkehrstechnisch in einem einwandfreien Zustand. Auch hinsichtlich der NOx-Emissionen bestehen aus technischer Sicht keine Bedenken. Das Fahrzeug weist bei der Abgasrückführung eine gewisse Temperaturabhängigkeit in der Form auf, dass außerhalb des Temperaturbereichs zwischen 20 und 30 Grad (NEF-Zyklus) die NOx-Emissionen etwas ansteigen. Das deutsche Kraftfahrbundesamt (KBA) hat bei diesem Fahrzeug keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt. Fahrzeuge, die vom KBA bereits überprüft wurden, werden üblicherweise nicht mehr angegriffen. Für den gegenständlichen Fahrzeugtyp (Baujahr 2016) gibt es keine Rückrufe, die sich auf das Abgassystem beziehen. Aus technischer Sicht besteht praktisch keine Möglichkeit, dass das Fahrzeug in naher Zukunft zurückgerufen wird. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger das Fahrzeug nicht gekauft hätte, wenn er vom Vorhandensein des Thermofensters Kenntnis gehabt hätte.
Der vorliegende Fall betrifft den Verkauf eines Gebrauchtfahrzeugs unter Privaten, die die Gewährleistung für Mängel vertraglich (allgemein) ausgeschlossen haben. Die Reichweite eines vertraglichen Gewährleistungsverzichts ist durch Auslegung im Einzelfall nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien und der Übung des redlichen Verkehrs zu ermitteln. Dabei ist nach allgemeinen Grundsätzen nicht nur am Wortlaut der Vereinbarung zu haften, sondern es sind auch alle ihren Abschluss begleitenden erklärungsrelevanten Umstände zu berücksichtigen.
Nach gesicherter Rechtsprechung erstreckt sich ein umfassend abgegebener Gewährleistungsverzicht grundsätzlich auch auf geheime und solche Mängel, die normalerweise vorausgesetzte Eigenschaften betreffen. Im Zweifel sind Verzichtserklärungen allerdings restriktiv auszulegen. Ein vertraglicher Gewährleistungsverzicht erstreckt sich nach der Rechtsprechung daher nicht auf das Fehlen ausdrücklich oder schlüssig zugesicherter Eigenschaften oder auf arglistig verschwiegene Mängel. Ob eine Eigenschaft als zugesichert anzusehen ist, hängt demnach nicht davon ab, was der Erklärende wollte, sondern was der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben aus der Erklärung oder dem Erklärungsverhalten des Vertragspartners schließen durfte. Ob eine (schlüssige) Zusage vorliegt oder nicht, kann letztlich nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Diese Grundsätze gelten auch bei Geschäften zwischen Nichtunternehmern.
Dass das Nichtvorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Fahrzeug keine zugesicherte Eigenschaft im Sinn des § 922 ABGB ist, entspricht der Rechtsprechung des EuGH. Aus der Entscheidung des Gerichtshofs zu C-145/20, Porsche Inter Auto und Volkswagen, ergibt sich dazu, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung dazu führt, dass das betreffende Fahrzeug (der Klassen Euro 5 und 6) nicht die Qualität aufweist, die bei Gütern der gleichen Art üblich ist und die der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann. Wenn ein Verbraucher ein Fahrzeug erwirbt, das zur Serie eines genehmigten Fahrzeugtyps gehört und somit mit einer Übereinstimmungsbescheinigung (Typengenehmigung) versehen ist, kann er vernünftigerweise erwarten, dass die Verordnung 715/2007/EG und insbesondere deren Art 5 bei diesem Fahrzeug eingehalten werden, und zwar auch ohne spezifische Vertragsklauseln.
Das Fehlen einer unzulässigen Abschalteinrichtung ist nach der unionsrechtlichen Beurteilung grundsätzlich (ohne besondere Vertragsklausel und ohne besonderes Erklärungsverhalten) eine gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft, nicht aber notwendigerweise eine zugesicherte Eigenschaft.
Aus den dargelegten Erwägungen folgt, dass die Vorinstanzen den vom Beklagten ins Treffen geführten Gewährleistungsverzicht zu Recht bejaht haben.
Unsere Meinung dazu
Diese Entscheidung ist interessanter als man auf den ersten Blick vermuten würde. Der OGH hat nunmehr klargestellt, dass das Nichtvorhandensein einer unzulässigen Abschaltvorrichtung keine zugesicherte Eigenschaft, sondern "nur" eine gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft ist. Damit kann man sich als privater Fahrzeugverkäufer sicher sein, dass man wegen des Abgassystems keine Probleme mit dem Käufer bekommt, wenn man die Gewährleistung ausschließt. Diese Entscheidung ist richtig und trägt zur Verkehrs- und Rechtssicherheit bei.