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Entlastungsbeweis

Entlastungsbweis nach EKHG (Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz)

OGH vom 17.01.2023, 2 Ob 212/22y:
Die Beurteilung der Vorinstanzen, der Kläger habe eine (relativ) überhöhte Geschwindigkeit als Verschulden zu verantworten, begegnet im Ergebnis schon deshalb keinen Bedenken, weil der Kläger bei Ansichtigwerden des im Kollisionszeitpunkt bereits 1,5 Sekunden im Stillstand befindlichen Unfallgegners (Traktor mit Anhänger) bremste, stürzte und mit 20 km/h gegen das gegnerische Fahrzeug prallte. Es war ihm daher nicht gelungen, die zwischen Unfallgegner und rechtem Fahrbahnrand vorhandene Durchfahrtsbreite von 1,1 bis 1,3 Meter für ein kollisionsfreies Passieren zu nützen. Deshalb ist es auch irrelevant, ob auch der Kläger die Pflicht hatte, auf halbe Sicht zu fahren.

Die Vorinstanzen lasteten dem erstbeklagten Lenker des Traktors kein Verschulden aus dem Umstand, dass er aus technischer Sicht eine um 0,2 Meter weiter rechts gelegene Fahrlinie einhalten hätte können an. Dies hält sich im Rahmen der Rechtsprechung, wonach auch in den Fällen, in denen am rechten Fahrbahnrand zu fahren ist, dem Lenker das Einhalten eines Sicherheitsabstands zugebilligt werden muss.

Der Umfang der gemäß § 9 Abs. 2 EKHG gebotenen Sorgfalt hängt von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab, weshalb die Frage, ob der Entlastungsbeweis gelungen ist, regelmäßig keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat, es sei denn, es läge eine Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz vor. Mag auch die den beim Betrieb tätigen Personen nach § 9 Abs. 2 EKHG abverlangte Sorgfalt eine besonders strenge sein, so darf diese Sorgfaltspflicht dennoch nicht überspannt werden, soll eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Erfolgshaftung vermieden werden. Wenn die Vorinstanzen im Licht dieser Rechtsprechung auf Beklagtenseite (bergauf mit 10 km/h bei aktiviertem Tempomat, bremsbereit, unverzügliche Bremsung, Stillstand innerhalb der halben Sichtstrecke) den Entlastungsbeweis nach § 9 Abs. 2 EKHG als erbracht angesehen haben, ist dies nicht korrekturbedürftig.

Unsere Meinung dazu

Nach dem EKHG haftet man also doch nicht immer. Wenn man nichts falsch macht, greift auch die nach dem EKHG geltende Gefährdungshaftung nicht. In der Praxis wird das EKHG gerne als Erfolgshaftung gehandhabt. Das ist falsch. Es sollen nur die besonderen Gefahren, die sich in Zusammenhang mit dem Betrieb von Kraftfahrzeugen ergeben, abgedeckt werden. Wenn man alles richtig macht, ist für eine Haftung kein Platz. Das ist keine Weisheit, für die man den OGH bemühen müsste.