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Straßenerhaltungspflicht

Straßenerhaltungspflicht einer Gemeinde

OGH vom 22.11.2022, 4 Ob 133/22w:
[...] Die beklagte Gemeinde ist Erhalterin einer im öffentlichen Gut stehenden Straße, die am Grundstück des Klägers entlangführt. Auf diesem steht entlang der Grenze eine im Zuge des Neubaus der Straße im Jahr 1971/72 (auf wessen Kosten, ist nicht feststellbar) errichtete ca. 28 Meter lange Mauer aus mit Beton gefüllten Betonschalsteinen, deren Oberkante die Oberkante des Straßenasphalts um 21 cm und gartenseitig die Geländeoberkante um etwa 52 cm überragt. Diese Mauer ist aus technischer Sicht Teil der Straßenkonstruktion, weil sie deren seitliche Stützung ausübt und deren seitlichen Abschluss bildet. Die Mauer weist Abplatzungen und Risse auf; diese Schäden sind nach einer 2011 erfolgten Straßensanierung aufgetreten und haben sich aufgrund der Belastung der Straße mit Schwerverkehr im Zuge der Errichtung von Gebäuden im Jahr 2017 ausgeweitet. Die Straße weist einen Riss und die Mauer eine leichte Schrägstellung auf; beides kann durch eine natürliche Kriechbewegung des hinter der Mauer liegenden, in weiterer Folge steil abfallenden Gartens oder eine Schwerverkehrsbelastung der Straße oder eine Kombination von beidem verursacht worden sein. Die beklagte Gemeinde hat die vom Kläger verlangte Sanierung der Mauer abgelehnt. [...]

Nach dem klaren Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen ist die Beklagte in Ansehung der hier gegenständlichen Straße und aller ihrer Bestandteile Trägerin der Straßenbaulast, worunter die Verpflichtung zu verstehen ist, eine öffentliche Straße herzustellen und zu erhalten. Als Straßenerhalterin der (unstrittig) entlang des Grundstücks des Klägers führenden Gemeindestraße ist sie auch Erhalterin der gegenständlichen, auf dem Grundstück des Klägers errichteten (unstrittig in dessen Eigentum stehenden) Mauer, weil es sich dabei nach den Feststellungen um eine Stützmauer der Straße und damit deren Bestandteil handelt. [...]

Zu dem zu § 7 Abs. 1 bgld StraßenG nahezu inhaltsgleichen § 7 Abs. 1 BStG 1971 hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass zur Pflicht zur Instandhaltung der Straße die Vornahme der unter Bedachtnahme auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Straßenerhalters zumutbaren Maßnahmen gehört, die erforderlich sind, um die Sicherheit des Verkehrs zu gewährleisten, und der Gesetzgeber gerade durch die Verwendung des Wortes „Zustand“ in § 1319a Abs. 1 ABGB statt „Beschaffenheit“ (wie in § 1319 ABGB) zum Ausdruck bringen wollte, dass nicht für den Weg selbst im engeren Sinn, sondern für dessen Verkehrssicherheit im weitesten Sinn gehaftet wird. [...]

Nach § 1319 ABGB ist der Besitzer eines Gebäudes oder Werks zum Ersatz eines Schadens verpflichtet, wenn durch Einsturz oder Ablösung von Teilen jemand verletzt wird, dieses Ereignis die Folge der mangelhaften Beschaffenheit des Werks ist und er nicht beweist, dass er alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt angewendet habe. Es entspricht der herrschenden Rechtsprechung und Lehre, dass „Besitzer“ hier nicht iSd § 309 Satz 2 ABGB zu verstehen ist, und § 1319 ABGB schon gar nicht auf den (bloßen) Eigentümer des (Bau-)Werks verweist. Entscheidend ist vielmehr, wessen Zwecken das Werk dient und wer dieses instandzuhalten hat, somit zur Gefahrenabwehr verpflichtet ist. Die strenge Haftung soll denjenigen treffen, der die Vorteile aus der Sache zieht und über ihren Gebrauch disponieren kann; derjenige der durch seine Beziehung zum Werk gemäß § 1319 ABGB zur Gefahrenabwehr verpflichtet ist, ist in moderner Terminologie der „Halter“. [...]

Unsere Meinung dazu

Das Verfahren selbst hatte zum Gegenstand, ob dem Eigentümer der Mauer ein Schadenersatz- oder Bereicherungsanspruch hinsichtlich der Kosten der Sanierung der Mauer gegenüber der Gemeinde zusteht. Dies haben alle Instanzen verneint und zwar mit dem Argument, dass die Mauer ihre Stützfunktion noch erfüllt (es wurde eine Restnutzungszeit von 15 Jahren angenommen). Daneben hat der OGH aber unmissverständlich klargestellt, dass die Erhaltung der Mauer (also tatsächlich notwendige Reparaturarbeiten und gegebenenfalls die Neuerrichtung) allein Sache des Straßenerhalters und damit der Gemeinde ist. Der Eigentümer haftet auch nicht für den Zustand der auf seinem Grundstück gelegenen Mauer. Auch dies ist allein Sache des Straßenerhalters und nicht des Eigentümers der Mauer.
Die Begründung des OGH überzeugt. Nicht der Eigentümer sondern der Straßenerhalter ist Nutznießer der Mauer. Darum soll ihn die strenge Haftung des § 1319 ABGB (Wegehalterhaftung) treffen und nur er für die Sanierung verantwortlich sein. Wann eine Sanierung erforderlich ist, entscheidet allerdings allein die Gemeinde. Der Eigentümer der Mauer hat darauf keinen subjektiven Anspruch. Im schlimmsten Fall muss der Eigentümer also warten, bis die Mauer vollständig desolat geworden ist bzw. ihre Stützfunktion nicht mehr erfüllt.