Fahrtüchtigkeit und THC-Konsum

Ferdinand Bachinger
Admin | 22. Dezember 2022
VwGH vom 24.10.2022, Ra 2022/02/0164:
[...] Das Verhalten des Lenkers ist im Rahmen einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle von der amtshandelnden Polizistin als auffällig beurteilt worden, weil er übermäßig viel geredet, hektische Bewegungen gemacht habe und seine Aufmerksamkeitsspanne sehr schlecht gewesen sei. Die Untersuchung durch eine Polizeiärztin hat ergeben, dass der Lenker zum Zeitpunkt des Lenkens des Fahrzeuges durch Suchtgift beeinträchtigt und nicht fahrfähig gewesen sei. „Übermüdung“ war von der Polizeiärztin angekreuzt, allerdings mit einem Fragezeichen versehen worden. Das Blut, das dem Lenker in der Folge abgenommen worden ist, hat eine THC-Konzentration von 1,4 ng/ml, also einen niedrigen, für die abklingende Cannabis-Wirkung typischen Wert, aufgewiesen. Die Konzentration von 11-OH-THC ist bei 0,64 ng/ml und die von THC-COOH bei 8,9 ng/ml gelegen, wobei letztere nicht psychoaktiv war und wegen ihrer Akkumulation Hinweise auf die Konsumhäufigkeit gibt. Auch hier liegt die Konzentration im niedrigen Bereich. [...]
Ein Grenzwert, bei dem jedenfalls eine zur Fahruntauglichkeit führende Beeinträchtigung durch Suchtgift anzunehmen ist (wie dies bei der Frage der Beeinträchtigung durch Alkohol der Fall ist), oder eine Ausnahme für Suchtgifte, bei denen keine Beeinträchtigung iSd § 5 Abs. 1 StVO anzunehmen ist, wurde vom Gesetzgeber nicht festgelegt. [...]
Ist die Fahruntüchtigkeit nicht allein auf die Beeinträchtigung durch Suchtgift, sondern noch auf weitere Ursachen (wie etwa Übermüdung, Krankheit, Medikamenteneinnahme) zurückzuführen, ist die Strafbarkeit nach § 5 Abs. 1 StVO auch dann gegeben, wenn die konsumierte Suchtgiftmenge für sich alleine noch keine Fahruntüchtigkeit bewirkt hätte. Das Vorliegen der Kombination der Faktoren Übermüdung und Suchtgiftkonsum, sei dieser auch geringfügig, reicht für die Annahme der Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit iSd § 5 Abs. 1 StVO aus. [...]
Werden hingegen neben dem sich aus einer Blutuntersuchung ergebenden Konsum von potentiell beeinträchtigenden Substanzen im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO weitere mögliche Ursachen für die im Rahmen der klinischen Untersuchung festgestellte Fahruntüchtigkeit ausgeschlossen, so ist zu klären, ob dieser für sich genommen zu einer Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit zum Zeitpunkt des Lenkens geführt hat. [...]
Im vorliegenden Fall wurde die Frage, ob die Fahrtüchtigkeit des Mitbeteiligten zum Zeitpunkt des Lenkens durch die festgestellte THC-Konzentration in seinem Blut beeinträchtigt war, in dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten toxikologischen Gutachten vom 1. Februar 2022 nicht abschließend beantwortet. [...]
Unsere Meinung dazu
Eine interessante Entscheidung des VwGH. Jeder weiß, dass ab 0,5 Promille (Alkoholkonzentration im Blut) eine Geldstrafe und ab 0,8 Promille zusätzlich der Führerscheinentzug droht. Aber wie ist das bei anderen Drogen? Wie vor allem bei geringen Mengen? Dazu hat der VwGH jetzt klargestellt, dass der Gesetzgeber für sonstige Drogen (außer Alkohol) keine Grenzwerte festgelegt hat. Es kommt also darauf an, ob durch den Drogenkonsum für sich genommen eine Beeinträchtigung vorliegt, die die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt. Das kann wiederum davon abhängen, ob der Lenker etwa gegenüber dem konsumierten Suchtmittel "tolerant", also daran gewöhnt ist. Wenn nicht zusätzlich Faktoren wie etwa Übermüdung dazukommen, kann ein Drogenlenker straffrei sein, wenn seine Fahrtüchtigkeit nicht beeinträchtigt ist.
Klingt kurios, ist aber so. Ein Gewohnheitstrinker ist bei Überschreitung der gesetzlichen Grenzwerte selbst dann seinen Führerschein los, wenn er durch seine Alkohol-Toleranz fahrtüchtig wäre. Ein Cannabisraucher nur dann, wenn ihm der Konsum nachgewiesen und zusätzlich die Fahruntüchtigkeit festgestellt worden ist.
Diese Ungleichbehandlung ergibt sich aus dem Gesetz. Eine gewisse Inkonsequenz ist nicht von der Hand zu weisen. Diese ergibt sich wohl daraus, dass die Menge des konsumierten Alkohols relativ leicht, die Menge sonstiger konsumierter Suchtmittel aber nur durch eine Blutuntersuchung nachgewiesen werden kann. Nur weil es aufwändiger wäre, sollte hier nicht mit zweierlei Maß gemessen werden.