Überholen eines Mountainbikes auf einem Forstweg
Ferdinand Bachinger
Admin | 10. November 2022
OGH vom 27.9.2022, 2 Ob 166/22h:
[...] Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, dass für die Forststraße, auf der der Beklagte das Überholmanöver durchführte, die StVO anzuwenden ist.
Nach § 15 Abs 4 StVO ist beim Überholen ein der Verkehrssicherheit und der Fahrgeschwindigkeit entsprechender seitlicher Abstand vom Fahrzeug, das überholt wird, einzuhalten. Nach der Judikatur lässt sich eine allgemeine Regel über die Größe dieses Sicherheitsabstands nicht aufstellen. Sie ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls entsprechend der gefahrenen Geschwindigkeiten und der Art des überholten Fahrzeugs festzulegen.
Nach der Rechtsprechung muss beim Überholen eines Fahrrads wegen seiner Labilität immer mit Schwankungen bzw. einer leicht pendelnden Fahrlinie gerechnet werden.
Wenn das Berufungsgericht den vom Beklagten beim Überholmanöver auf der geschotterten und durch mögliche Hindernisse bergab führenden Forststraße mit seinem Fahrrad gewählten Sicherheitsabstand von 60–70 cm als zu gering erachtete, weil der Beklagte bei den konkreten örtlichen Begebenheiten mit einem Seitenversatz des Klägers rechnen musste, ist das keine zu korrigierende Fehlbeurteilung.
Nach den erstgerichtlichen Feststellungen war die bergabführende Forststraße zum Unfallszeitpunkt uneben und auf ihr auch lose Steinchen und Holz vorhanden. Die Rechtsansicht des Beklagten, dass er mit einem plötzlichen Seitenversatz/Auslenken des Klägers nicht rechnen musste, geht damit nicht von den getroffenen Feststellungen aus.
Der Lenker eines überholenden Fahrzeuges hat den bevorstehenden Überholvorgang durch Abgabe von Warnsignalen rechtzeitig anzuzeigen, wenn es die Verkehrssicherheit erfordert. Wird die Vermutung erweckt, dass der Lenker des überholten Fahrrads während des Überholmanövers in die Spur des überholenden Fahrzeugs gelangen könnte, muss mit diesem Kontakt hergestellt werden. [...]
Unsere Meinung dazu
Eine Forststraße ist demnach nichts anderes als eine Straße auf der die StVO gilt. Diese Rechtsansicht überzeugt. Ebenso die Ausführungen, dass bei geschotterter Fahrbahn mit Hindernissen und damit zu rechnen ist, dass der Überholte seine Spur verlässt und in die Spur des Überholenden "hineinschlenkern" kann. Die Schlussfolgerung, dass in so einem Fall "Kontakt aufzunehmen" ist, lässt aber offen, wie dies zu erfolgen hat: Muss der zu Überholende von hinten angeklingelt oder angeschrien werden? Was passiert, wenn der so Kontaktierte erschreckt und gerade wegen der Kontaktaufnahme stürzt und sich verletzt? Was wenn der zu Überholende schwerhörig ist? Im Zweifel wird man auf das Überholen verzichten und eine Stelle abwarten müssen, an der gefahrlos überholt werden kann. Wie im richtigen Straßenverkehr halt...