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Ein ★ Bewertung im Internet

Ein ★ Bewertung im Internet

OGH vom 18.6.2024, 6 Ob 120/23z:
[1] Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

[2] Die Kläger betreiben eine Rechtsanwaltskanzlei in L*. Die Beklagte ist ein Unternehmen, das die gleichnamige Suchmaschine „G*“ im Internet betreibt. Der von der beklagten Partei angebotene Dienst „G* Local Listings“ ist sowohl über „G* Search“ als auch über „G* Maps“ abrufbar. Im Rahmen von „G* Local Listings“ können registrierte Nutzer Bewertungen (unter anderem) von Unternehmen durch Vergabe von einem bis maximal fünf Sternen vornehmen und optional Kommentare posten. Für die Registrierung ist die Angabe eines Nutzernamens und einer E-Mail-Adresse erforderlich. Die beklagte Partei überprüft die Richtigkeit der eingegebenen Nutzerdaten nicht. Es ist somit möglich, unter einem Pseudonym aufzutreten.

[3] Bei dem über die Suchmaschine „G*“ bzw „G* Maps“ abrufbaren Unternehmenseintrag der Kläger findet sich eine 1-Stern-Bewertung eines Nutzers mit dem (pseudonymen) Nutzernamen „Shutdown“ ohne Textkommentar. Einen Eintrag einer Person mit dem Namen „Shutdown“ konnten die Kläger in ihrer Kanzleisoftware nicht finden. Der Aufforderung der Kläger zur Löschung der Bewertung des Nutzers „Shutdown“ kam die beklagte Partei nicht nach. Es konnte nicht festgestellt werden, ob der Nutzer „Shutdown“ Mandant der Kläger war oder ob er sonst in einer für eine Bewertung relevanten Weise mit den von den Klägern angebotenen Leistungen in Kontakt gekommen war.

[4] Die Kläger begehrten, der Beklagten die Verbreitung dieser Bewertung zu untersagen. Die klagsgegenständliche 1-Stern-Bewertung sei ehrverletzend und kreditschädigend iSd § 1330 Abs 1 und 2 ABGB. Dieses Werturteil beinhalte zudem die konkludente Tatsachenbehauptung, der Bewertende sei Kunde der Kläger oder zumindest in relevanter Weise mit der angebotenen Leistung in Kontakt gekommen. Da kein derartiger Kontakt vorgelegen habe, sei die Bewertung unwahr und rechtswidrig.

[5] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

[6] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigend und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zu den hier relevanten Rechtsfragen, ob und unter welchen Voraussetzungen die beklagte Partei als Betreiberin des Online-Dienstes „G* Local Listings“ zur Unterlassung der Verbreitung von kommentarlosen, bloßen 1-Stern-Bewertungen anonymer Nutzer über Unternehmen (hier Rechtsanwälte) verpflichtet ist, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege und die Bedeutung dieser Entscheidung weit über den vorliegenden Fall hinausgehe.

[7] Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision der Kläger ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

[8] 1.1. Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[9] 1.2. Die Parteien ziehen die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach die geltend gemachten Ansprüche nach österreichischem Sachrecht zu beurteilen seien, im Revisionsverfahren nicht mehr in Zweifel, sodass auf diese selbständig zu beurteilende Rechtsfrage nicht mehr einzugehen ist (6 Ob 236/19b [ErwGr A]; 7 Ob 160/21m [ErwGr 1.]; vgl auch RS0040189 [T5]).

[10] Ob die Beklagte bei Anwendung inländischen Rechts strengeren Bedingungen unterliegt, als das in ihrem Sitzmitgliedstaat geltende Sachrecht vorsieht (vgl Art 3 RL 2000/31/EG [„E-Commerce-Richtlinie“]; vgl EuGH C-509/09 und C-161/10, eDate Advertising, Rn 63–68), ist aufgrund der klageabweisenden Entscheidung ohne Relevanz.

[11] 2.1. In seinem beruflichen Bereich muss sich der selbständig Tätige auf die Beobachtung seines Verhaltens durch die breitere Öffentlichkeit wegen der Wirkungen, die seine Tätigkeit für andere hat, und auf Kritik an seinen Leistungen einstellen. In diesem Bereich ist die Gefahr schlechter Bewertungen grundsätzlich hinzunehmen, weil jede Beurteilung inhaltsleer würde, wenn schlechte Bewertungen bereits per se beanstandet werden könnten (6 Ob 198/21t [ErwGr 4.4.5.]). Mit dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung auch im Wege anonymer Bewertungen hat sich der Fachsenat des Obersten Gerichtshofs bereits eingehend befasst (6 Ob 129/21w jusIT 2022, 73 [Bierbauer] = ZIIR 2022, 154 [Thiele] = Newsletter Menschenrechte NL 2022, 196 = JBl 2022, 453 [Grasl] = ecolex 2022, 280 [Hafner-Thomic]; 6 Ob 198/21t Newsletter Menschenrechte NL 2022, 486 = jusIT 2022, 238 [Thiele] = JMG 2022, 280 [Streit/Koukal] = MR 2022, 220 [Kezer/Knotzer]). Deren grundsätzliche Zulässigkeit wird von der Revision auch nicht bezweifelt.

[12] 2.2. Der Oberste Gerichtshof hat betreffend eine vergleichbare Bewertungsplattform der (auch hier) Beklagten, auf der – wie hier – unter anderem Unternehmen bewertet werden konnten, bereits die Auffassung gebilligt, dass darin enthaltene anonyme Sterne-Bewertungen, selbst wenn sie Kommentare enthalten, nicht in jedem Fall den Eindruck erwecken, der Äußernde sei Mandant des bewerteten Rechtsanwalts gewesen. Die (anonyme) Meinungsäußerung ist auch jenen Personen zuzugestehen, die sich bei anderer Gelegenheit als im Wege der Erteilung eines (eigenen) Mandats ein Bild vom bewerteten Rechtsanwalt als Dienstleister gemacht haben. Bewertungen durch Personen, die nicht Mandanten waren, sind im Sinne des Schutzes der verfassungs- und europarechtlich garantierten Meinungsfreiheit nicht unzulässig, zumal Rechtsanwälte durchaus in verschiedenster Form öffentlich auftreten, sodass sich vielerlei Berührungspunkte oder Beobachtungsmöglichkeiten ergeben können (6 Ob 46/23t [ErwGr 4. f]).

[13] 3.1. „Ein-Stern-Bewertungen“ sind rein subjektive, nicht überprüfbare Werturteile, die nur je nach der persönlichen Überzeugung des Bewertenden falsch oder richtig sein können und damit auch bloß die erkennbar subjektive Meinung des Äußernden wiedergeben (6 Ob 46/23t [ErwGr 3.]). Beleidigungen iSd § 1330 Abs 1 ABGB sind durch bloße Punkte- oder Sternebewertungen von vornherein ausgeschlossen (6 Ob 198/21t [ErwGr 4.4.7.]; 6 Ob 129/21w [ErwGr 6.8.1.]).

[14] 3.2. Sofern ihre objektive Richtigkeit überprüfbar ist, sind auch bewertende Einschätzungen Tatsachenbehauptungen gleichzusetzen (RS0032270). Der unrichtige Eindruck, der Beklagte sei ein Mandant der Kläger gewesen oder sei sonst in für eine Bewertung relevanter Weise mit den von den Klägern angebotenen Leistungen in Kontakt gekommen, ist in Verbindung mit der „Ein-Stern-Bewertung“ geeignet, potentielle Mandanten abschrecken und damit den Kredit der Kläger iSd § 1330 Abs 2 ABGB zu gefährden (vgl 6 Ob 143/21d [ErwGr 4.]). An der Verbreitung unwahrer rufschädigender Tatsachenbehauptungen besteht kein von der Meinungsäußerungsfreiheit gedecktes Interesse (6 Ob 198/21t [ErwGr 4.4.6.]; vgl 6 Ob 129/21w [ErwGr 6.4. und 6.5.3.]).

[15] 3.3. Die Auslegung des Bedeutungsinhalts einer Äußerung hat nach dem Verständnis eines durchschnittlich qualifizierten Erklärungsempfängers zu erfolgen (RS0115084). Weder die Feststellung des Bedeutungsgehalts einer Äußerung noch die Frage, ob auch eine andere Beurteilung der festgestellten Äußerung vertretbar wäre, bilden in der Regel eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0107768 [T2]).

[16] 3.4. Das Erstgericht ging ohnehin im Sinne des Standpunkts der Revision erkennbar davon aus, die gegenständliche Bewertung werde von einem durchschnittlich qualifizierten Erklärungsempfänger dahin verstanden, dass der Äußernde in einer für die Bewertung relevanten Art in Kontakt mit dem Angebot, der Leistung oder dem Kundenservice der Kläger gewesen sei. Die Auffassung des Berufungsgerichts, im vorliegenden Fall könne dahinstehen, ob die Bewertung im gegebenen Zusammenhang einen solchen Tatsachenkern enthalte, weil selbst bei dem von den Klägern unterstellten Verständnis kein Unterlassungsanspruch bestünde, bedarf aufgrund der dazu getroffenen Negativfeststellung keiner Korrektur (dazu sogleich).

[17] 4.1. Bedient sich derjenige, der eine Persönlichkeitsrechtsverletzung begangen hat, hiezu der Dienste eines Vermittlers, so kann gemäß § 20 Abs 3 ABGB (in der hier anzuwendenden Fassung des HiNBG BGBl I 2020/148) auch dieser auf Unterlassung und Beseitigung geklagt werden. Ein auf § 1330 Abs 2 ABGB gestützter Unterlassungsanspruch gegen den Vermittler setzt wie jener gegen den Äußernden voraus, dass er unwahre Tatsachen verbreitet hat, deren sachlicher Kern nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt (vgl 6 Ob 178/04a; 4 Ob 138/22f [ErwGr 1.2.]; RS0115694).

[18] 4.2. § 20 Abs 3 ABGB sieht eine Abmahnung des Hostproviders als zusätzliche materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung des Unterlassunganspruchs mit dem Zweck vor, die erforderliche Kenntnis des Providers von der rechtswidrigen Information herzustellen, um ihm die Möglichkeit zu geben, den Inhalt unverzüglich zu entfernen; reagiert der Diensteanbieter auf eine solche Mitteilung nicht, kann gerichtlich gegen ihn vorgegangen werden (6 Ob 166/22p [ErwGr 3.1.] unter Hinweis auf die Anwendbarkeit der zu § 81 Abs 1a UrhG bestehenden Judikaturgrundsätze). Die Abmahnung nach § 20 Abs 3 ABGB kann durch entsprechendes Vorbringen in einem bereits anhängigen Prozess ersetzt werden, wodurch der Diensteanbieter Klarheit über die behauptete Rechtsverletzung erhält. In diesem Fall entsteht dann ein Unterlassungsanspruch, wenn der Provider das beanstandete Verhalten fortsetzt oder das Vorliegen einer Rechtsverletzung bestreitet (6 Ob 166/22p [ErwGr 3.2.]; RS0129808 [T4]; ausführlich 4 Ob 140/14p). Nach gefestigter Rechtsprechung besteht der Unterlassungsanspruch nur dann, wenn die Rechtsverletzung für den Provider ohne Notwendigkeit weiterer Nachforschungen offenkundig wird (6 Ob 145/14p [ErwGr 8.]; RS0129808; RS0114374; vgl 4 Ob 140/14p). Das Unterbleiben der Entfernung des beanstandeten Inhalts alleine führt nicht zu einem Unterlassungsanspruch gegen den Vermittler. In allen Fällen ist erforderlich, dass die beanstandete Äußerung des unmittelbaren Täters eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt (vgl 6 Ob 166/22p [ErwGr 5. ff]; siehe Punkt 4.1.).

[19] 4.3. Die Auffassung des Berufungsgerichts, eine materiell-rechtliche Nachforschungsobliegenheit der Beklagten als Providerin dahin, ob der Bewertende Mandant der Kläger gewesen oder in einer für eine Bewertung relevanten Weise mit den von den Klägern angebotenen Leistungen in Kontakt gekommen sei, bestehe trotz erfolgter Abmahnung durch die Kläger nicht, entspricht der dargelegten Rechtsprechung.

[20] Im vorliegenden Fall ist diese Frage – ebenso wie die in der Revision angesprochene Frage, ob und allenfalls zu welchem Zeitpunkt die Beklagte ausreichende Klarheit über die hier behauptete Rechtsverletzung erhielt – aber nicht entscheidungswesentlich, weil die Unwahrheit des behaupteten Tatsachenkerns der Äußerung des Bewertenden nicht feststeht und aufgrund der vom Berufungsgericht in nicht korrekturbedürftiger Weise angewendeten Beweislastregeln (dazu sogleich) bereits deshalb eine Unterlassungspflicht nach § 1330 Abs 2 ABGB nicht besteht. Schon aus diesem Grund ist auch nicht relevant, ob die Beklagte (auch) Medieninhaberin sei und in dieser Eigenschaft die gebotene Sorgfalt nach dem Haftungsausschlussgrund des § 6 Abs 3 Z 3a MedienG außer Acht gelassen habe.

[21] 5.1. Wenn die behauptete Rufschädigung – wie hier – nicht gleichzeitig auch eine Ehrenbeleidigung umfasst, trifft nach ständiger Rechtsprechung den Kläger nach allgemeinen Regeln die Beweislast, das heißt, er hat die Tatsachenverbreitung und deren Ursächlichkeit für die Gefährdung oder Verletzung zu beweisen und darüber hinaus auch die Tatsachenunrichtigkeit (4 Ob 138/22f [ErwGr 1.2.]; 6 Ob 149/17f [ErwGr 2.2.]; RS0031798 [T8]). An dieser Judikatur hat der Oberste Gerichtshof trotz teilweiser Kritik in der Lehre (etwa Kletečka, Kreditschädigung und Wahrheitsbeweis, ecolex 1991, 310 [unter Hinweis auf eine in Deutschland anerkannte „Darlegungspflicht“ des Beklagten]; Korn, Die „zivilrechtliche“ Ehrenbeleidigung, MR 1991, 138) festgehalten.

[22] 5.2. Beweisnähe ist grundsätzlich kein Grund für eine Umkehr dieser objektiven Beweislast (vgl RS0037797 [T49]; RS0039939 [T35]; RS0040182 [T10]; RS0039895 [T2]). Eine Verschiebung der Beweislast aufgrund der „Nähe zum Beweis“ kann ausnahmsweise dann in Betracht kommen, wenn Tatfragen zu klären sind, die „tief in die Sphäre einer Partei hineinführen“ (RS0037797 [T25, T26, T47]; RS0039939 [T32]; RS0040182 [T8]; RS0013491 [T1]; RS0121528 [T1]). Voraussetzung dafür ist, dass derjenige, den nach der allgemeinen Regel die Beweislast trifft, seiner Beweispflicht im zumutbaren Ausmaß nachkommt (RS0121528 [T2]; RS0013491 [T4]) und für ihn mangels genauer Kenntnis der Tatumstände ganz besondere, unverhältnismäßige Beweisschwierigkeiten bestehen, während der anderen Partei diese Kenntnisse zur Verfügung stehen und es ihr nicht nur leicht möglich, sondern nach Treu und Glauben auch ohne weiteres zumutbar ist, die erforderlichen Aufklärungen zu geben (RS0037797 [T24, T48]; RS0039939 [T33]; RS0040182 [T5, T9]). Ob eine solche Beweiserleichterung eingreift und wie weit sie gegebenenfalls reicht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (5 Ob 239/21i [ErwGr 1.3.]).

[23] 5.3. Neben diesen Grundsätzen zur Behauptungs- und Beweislast trifft im Zivilprozess die nach § 184 ZPO befragte Partei eine Mitwirkungspflicht an der Erforschung der Wahrheit (6 Ob 177/23g [ErwGr II.2.3.]). Diese Vorschrift ist maßgebliche Grundlage für die Aufklärungsobliegenheit der nicht beweisbelasteten Partei über dem Gegner nicht zugängliche Tatsachen. Ob eine Partei ihrer Aufklärungspflicht nachgekommen ist, ist von der jeweiligen Konstellation abhängig und kann nicht allgemein beantwortet werden; maßgeblich sind ihre (objektiven und subjektiven) Erkenntnismöglichkeiten. Behauptet der Befragte, von bestimmten Umständen selbst keine Kenntnis zu haben, wird ihm im Regelfall zuzumuten sein, sich diese Kenntnis durch Befragung der mit der Angelegenheit betrauten Mitarbeiter bzw durch Heranziehung sonstiger Erkenntnisquellen (zB Einsicht in Unterlagen) zu verschaffen. Was eine Partei unter den gegebenen Umständen tun muss, um ihre Aufklärungspflicht zu erfüllen, ist eine Frage des Verfahrensrechts; eine Fehlbeurteilung stellt somit eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens dar (6 Ob 44/09b [ErwGr 2.2.]; 9 Ob 12/05p).

[24] Die Verletzung der prozessualen Aufklärungspflicht kann nach § 272 Abs 1 ZPO Anlass für den Tatrichter sein, bestimmte Prozessbehauptungen des Gegners für wahr zu halten (9 Ob 85/19v [ErwGr 6.]; 6 Ob 44/09b [ErwGr 2.2.]; 9 Ob 12/05p; vgl RS0119925). Die Beweislast wird durch diese Mitwirkungspflicht dagegen nicht verändert. Kommt das Gericht auch unter Berücksichtigung der Umstände, unter denen die Mitwirkung verweigert wird, zu einer Negativfeststellung, geht diese zu Lasten der mit dem Beweis belasteten Partei (9 Ob 85/19v [ErwGr 6.]; 6 Ob 44/09b [ErwGr 2.2.]; 9 Ob 12/05p).

[25] 5.4. Das Berufungsgericht war der Ansicht, es lägen betreffend die strittige Tatsache, ob der Bewertende tatsächlich Mandant der Kläger gewesen oder mit diesen in einem für die Bewertung relevanten Kontakt gestanden sei, weder die Voraussetzungen für eine Beweislastumkehr noch für eine Ermittlungspflicht der Beklagten vor. Es handle sich um keine Tatfrage, die allein in der Sphäre der Beklagten läge und nur ihr bekannt sei. Die Beklagte verfüge nach den Feststellungen selbst nicht über den Klarnamen des Nutzers. Für die Registrierung sei lediglich die Angabe des (pseudonymen) Nutzernamens und einer E-Mail-Adresse erforderlich, wobei bekanntlich auch anonyme E-Mail-Adressen verwendet werden können, die de facto nicht unbedingt erreichbar seien. Der Beklagten wäre es daher kaum oder nur mit größtem Aufwand möglich gewesen, verlässlich zu ermitteln, ob der Bewerter tatsächlich Mandant der Kläger war bzw mit diesen in einem für die Bewertung relevanten Kontakt stand.

[26] 5.5. Darin ist keine im Einzelfall durch den Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken. Nach den Feststellungen hatte die Beklagte keine Kenntnis über die strittigen Tatsachen. Die Revision weist (an anderer Stelle) selbst darauf hin, dass bloß mit den der Beklagten über den Bewertenden vorliegenden Informationen dessen verlässliche Identifizierung nicht möglich gewesen wäre. Ebenso kann berücksichtigt werden, dass selbst bei (ohnehin nicht gesicherter) Erreichbarkeit des Bewertenden eine Reaktion durch ihn auf eine Nachfrage der Beklagten ungewiss wäre und es keine Gewähr für Richtigkeit allfälliger Auskünfte des Bewertenden gäbe.

[27] 5.6. Soweit die Revision erkennbar, allerdings ohne Auseinandersetzung mit der unter Punkt 5.3. erörterten Rechtsprechung, einen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens in Zusammenhang mit der Verletzung einer prozessualen Aufklärungs- bzw Mitwirkungspflicht der Beklagten releviert, ist ihr entgegenzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs angebliche Verfahrensmängel erster Instanz, die vom Gericht zweiter Instanz nicht als solche anerkannt worden sind, in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden können (RS0042963; RS0106371; RS0043919).

[28] 5.7. Darüber hinaus sind die Tatsacheninstanzen im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der Umstände, unter denen die Nachforschung der Beklagten unterblieb, zu einer Negativfeststellung gelangt, die nach den erörterten Rechtsprechungsgrundsätzen zu Lasten der mit dem Beweis belasteten Kläger geht.

[29] 6. Nur ergänzend sei festgehalten, dass zwar nach der in der Revision zitierten Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs nach deutscher Rechtslage bei Beanstandungen von in Bewertungsplattformen enthaltenen kreditschädigenden Bewertungen eine Prüfpflicht des Providers im Sinne einer Ermittlung und Beurteilung des gesamten Sachverhalts angenommen wird, deren Verletzung Voraussetzung für eine Haftung des Providers als mittelbarer Störer ist (vgl BGH VI ZR 34/15 Rn 24 [Ärztebewertungsportal]; BGH VI ZR 1244/20 Rn 28 [Hotelbewertungsportal]). Auch nach dieser Rechtsprechung folgt der Unterlassungsanspruch jedoch nicht bereits aus der bloßen Verletzung dieser Nachforschungspflicht des Providers, sondern es ist erforderlich, dass dem beanstandeten Werturteil die Tatsachengrundlage fehlt (vgl BGH VI ZR 34/15 Rn 46). Die diesbezügliche Beweislast, etwa für das Fehlen eines für die Bewertung relevanten Kontakts mit dem Bewertenden, trifft den Kläger (BGH VI ZR 34/15 Rn 46). Allerdings wird, ausgehend von der (abweichenden) deutschen Rechtslage, eine „sekundäre“ Darlegungslast des beklagten Providers in Form einer Auskunfts- und Nachforschungspflicht angenommen, deren Verletzung – anders als nach dem oben erörterten österreichischen Recht die Verletzung einer Mitwirkungspflicht – dazu führt, dass die Behauptung des Klägers, der von ihm beanstandeten Bewertung liege kein relevanter Kundenkontakt zugrunde, prozessual als zugestanden gilt (BGH VI ZR 34/15 Rn 49; vgl auch BGH VI ZR 1244/20 Rn 36 und 40; Hager, JA 2023, 70 [Entscheidungsbesprechung zu VI ZR 1244/20]).

Unsere Meinung dazu

Eine schlechte Bewertung auf Google ist unangenehm, meist aber hausgemacht. Anders als in Deutschland sieht unser OGH die Beweislast für die Unwahrheit der schlechten Bewertung beim Bewerteten (Kläger), auch wenn der keinerlei Möglichkeit hat, die Identität und damit ein allfälliges Vollmachts- und Auftragsverhältnis überhaupt festzustellen. Die Plattform speichert nur das Pseudonym und eine E-Mail Adresse des Bewertenden. Nach den Feststellungen kann damit auch die Bewertungsplattform die Identität des Bewertenden nicht ohne Weiteres feststellen. Aufgrund der vom Berufungsgericht angewendeten Beweislastregel (und dem misslungenen Beweis, dass die Bewertung unwahr ist), soll auch eine Unterlassungs- und Löschungsverpflichtung der Bewertungsplattform entfallen. Ob das dem Gedanken des Datenschutz- und Medienrechtes entspricht? Wohl kaum. Der OGH öffnet mit dieser Entscheidung der anonymen Anpatzerlobby Tür und Tor. Man wird sehen, wie lange diese Entscheidung Bestand hat.