Freifläche und Nichtraucherschutz
Ferdinand Bachinger
Admin | 09. November 2023
VwGH vom 18.9.2023, Ra 2021/11/0083:
Mit Straferkenntnis vom 9. Juli 2020 verhängte die belangte Behörde über die Revisionswerberin eine Geldstrafe in Höhe von € 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Höhe von drei Tagen) wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 14 Abs. 4 iVm. 12 Abs. 1 Z 4 iVm. 13c Abs. 2 Z 1 TNRSG und verpflichtete sie zur Zahlung der Kosten des Strafverfahrens in Höhe von € 50,--. Die Revisionswerberin wurde für schuldig erkannt, „[sie habe] es als unbeschränkt haftende Gesellschafterin der Firma K R KG mit Sitz [an näher genannter Adresse] und damit als das gem. § 9 Abs. 1 [VStG] zur Vertretung nach außen berufene und somit strafrechtlich verantwortliche Organ dieser Firma zu verantworten, dass entgegen § 12 Abs. 1 Z 4 TNRSG, wonach in Räumen für die Herstellung, Verarbeitung, Verabreichung oder Einnahme von Speisen oder Getränken sowie die in Gastronomiebetrieben für alle den Gästen zur Verfügung stehenden Bereichen, ausgenommen Freiflächen, Rauchverbot gilt, diese Firma als Inhaberin des Gastronomiebetriebes [an näher genannter Adresse] am 19.02.2020 um 12:35 Uhr, entgegen § 13c Abs. 2 Z 1 leg. cit. nicht dafür Sorge getragen hat, dass in diesem Raum/diesen Räumen nicht geraucht wird, da in den Räumlichkeiten geraucht wurde.“
Die K R KG besitze die bau- und betriebsanlagenrechtliche Bewilligung zum Betrieb eines straßenseitigen Gastgartens. „Dort sind mobile Scheibenmodule als Windschutz montiert und kann die darüber befindliche Markise ausgefahren werden, wobei sich bei ausgefahrener Markise ein Abschluss zu der Rahmenkonstruktion der mobilen Scheibenmodule ergibt. Dieser Bereich wird seitens der Anlagenbetreiberin ihren Gästen auch zum Rauchen zur Verfügung gestellt. Am 19.02.2020 um 12.35 Uhr rauchte [in diesem Bereich] eine Frau [...] Es waren die mobilen Scheibenmodule geschlossen und die Markise vollständig ausgefahren. [...]“
Gegenständlicher Gastgarten stelle keine Freifläche gemäß § 12 Abs. 1 Z 4 TNRSG dar, wodurch (auch) für diesen Bereich ein Rauchverbot gemäß § 12 Abs. 1 leg. cit. gelte. Die Novellierung des TNRSG, BGBl. I Nr. 101/2015, verfolge den Schutzzweck, Gäste und Beschäftigte in der Gastronomie umfassend vor den schädlichen Auswirkungen des Passivrauchens zu schützen. Von derlei Auswirkungen sei auszugehen, „sobald ein abgeschlossener Luftraum hergestellt wird.“ Bei einer Freifläche müsse es sich hingegen „um eine freie Fläche handeln, die also nicht oder nur in geringfügigem Ausmaß baulich überdeckt oder umschlossen ist und auf der auch Luftverhältnisse wie im Freien herrschen.“ Zwar seien Gastgärten grundsätzlich im Freien gelegene, eingegrenzte Betriebsflächen. Es bedürfe jedoch einer fallbezogenen Betrachtung, ob die konkrete Beschaffenheit eines Gastgartens erlaube, von einer Freifläche gemäß § 12 Abs. 1 Z 4 TNRSG auszugehen. In gegenständlichem Fall werde im Gastgarten „beim Ausfahren der Markise, weil durch die Scheibenmodule der Verabreichungsbereich allseits durch eine wandähnliche Konstruktion umschlossen wird“, ein abgeschlossener Luftraum hergestellt. Dieser Zustand sei im Tatzeitpunkt gegeben gewesen. Daraus resultierend hätten im Gastgarten keine „Luftverhältnisse wie im Freien“ geherrscht, wodurch der relevante Bereich nicht als Freifläche, sondern als ein vom Rauchverbot umfasster Raum zu beurteilen gewesen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits in seiner Entscheidung vom 29. Juni 2023, Ro 2022/11/0019, mit der Auslegung des Begriffs „Freifläche“ im Sinn von § 12 Abs. 1 Z 4 TNRSG auseinandergesetzt und dazu Folgendes festgehalten:
Bei den gemäß § 12 Abs. 1 Z 4 TNRSG vom Rauchverbot umfassten Bereichen eines Gastronomiebetriebes muss es sich nicht um allseitig bzw. zur Gänze umschlossene und quasi hermetisch abschließbare Räume handeln.
Da im Mittelpunkt der vom Gesetzgeber verfolgten Zielsetzungen ein umfassender Nichtraucherschutz in Gastronomiebetrieben steht, hat sich die Auslegung des Begriffs „Freifläche“ an den auf einer „freien“ Fläche gegebenen Luftverhältnissen zu orientieren. Mithin haben die Luftverhältnisse bei einer „Freifläche“ zumindest im Wesentlichen den Gegebenheiten „im Freien“ zu entsprechen, d.h. die Beschaffenheit des betreffenden Bereichs hat grundsätzlich, so wie dies beispielsweise bei den in den Gesetzesmaterialien erwähnten Gastgärten gegeben ist, einen umfassenden Luftaustausch zu gewährleisten.
Das Verwaltungsgericht ist auf Basis des unbestrittenen festgestellten Sachverhalts im Einklang mit dieser höchstgerichtlichen Rechtsprechung zum Ergebnis gelangt, dass gegenständlicher Außenbereich (Gastgarten) im Tatzeitpunkt keine einer „freien“ Fläche entsprechenden Luftverhältnisse aufgewiesen habe, weswegen in diesem den Gästen zur Verfügung stehenden Außenbereich das Rauchverbot gemäß § 12 Abs. 1 TNRSG gegolten habe.
Unsere Meinung dazu
Eine nachvollziehbare Entscheidung des VwGH, gemessen am festgestellten Sachverhalt. Rauchen soll in der Gastronomie nur dort erlaubt sein, wo die Luftverhältnisse jenen eines Gastgartens entsprechen. Der Luftaustausch muss den Gegebenheiten im Freien entsprechen. Das wirft aber Fragen auf. Was wäre, wenn die überdachte Freifläche trotz wandähnlichen Glaselementen eine derart starke Lüftung aufweisen würde, die einen Luftaustausch wie im Freien gewährleistet? Wie verhält es sich bei bloßen Schirmbars? Wenn auch Schirme problematisch sind, darf man dann im Sommer auch unter Sonnenschirmen im Gastgarten nicht rauchen? All das hat der VwGH offengelassen. Die Entscheidung ist ein Wegweiser, endgültige Klärung bringt sie nicht.