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Der Zoll und die Kenntnis der Gesetze

OGH vom 30.11.2016, 7 Ob 181/16t (auszugsweise):
[...] Zu den Nebenpflichten des Speditionsvertrags gehört auch die Verzollung. Erfordert die Ausführung des übernommenen Speditionsgeschäfts eine Verzollung, so hat der Spediteur für die ordnungsgemäße Verzollung zu sorgen (Csoklich in Jabornegg/Artmann UGB2 § 407 Rz 25 mwN; vgl auch RIS-Justiz RS0019459). Die Verzollung zählt aber auch zu den Nebenpflichten des Frachtführers (Csoklich aaO § 425 Rz 16; Helm in Großkommentar HGB4 § 425 Rn 144; Ulbrich in BeckOK HGB § 451a Rn 30; Thume in MüKoHGB § 407 Rn 67). [...]

Die Verjährungsfrist nach Art 32 CMR beträgt ein Jahr und bei Vorsatz oder bei einem Verschulden, das nach dem Recht des angerufenen Gerichts dem Vorsatz gleichkommt drei Jahre. Sie beginnt nach Abs 1 lit c leg cit mit dem Ablauf einer Frist von drei Monaten nach dem Abschluss des Beförderungsvertrags. [...]

Die Unkenntnis der Bestimmungen des deutschen Kaffeesteuergesetzes und der deutschen Kaffeesteuerverordnung indiziert für sich alleine – wie die folgenden Ausführungen zeigen – das grobe Verschulden nicht:
Zu berücksichtigen ist, dass von einer „Verzollung“ in der Regel nur bei die EU-Zollgrenzen überschreitenden Beförderungen auszugehen ist. Weiters ist die deutsche Kaffeesteuer eine Verbrauchssteuer (§ 1 Abs 1 KaffeeStG). „Verbrauchssteuern sind auf Abwälzbarkeit angelegte Steuern auf die in der Einkommensverwendung zum Ausdruck kommende steuerliche Leistungsfähigkeit, die nur auf einer Stufe grundsätzlich auf den konsumtiven Verbrauch von ausgewählten Waren erhoben werden und bei denen der Steuerentstehungstatbestand an einen tatsächlichen Vorgang oder Zustand anknüpft.“ Verbrauchssteuern werden abhängig von unterschiedlichen tatsächlichen Anknüpfungspunkten in den einzelnen Verbrauchssteuergesetzen (Herstellung, Entnahme aus dem Steuerlager oder aus dem Versorgungsnetz, etc) ua auch bei der Einfuhr von Nicht- gemeinschaftswaren neben den Einfuhrabgaben nach dem Zollkodex erhoben und sind Einfuhrabgaben nach dem deutschen Zollverwaltungsgesetz (ZollVG) (§ 1 Abs 1 ZollVG), dies allerdings nur dann, wenn sie beim unmittelbaren Verbringen von Waren aus einem Drittland in die EU anfallen (Harder, Handbuch Wirtschafts- und Steuerstrafrecht4 22. Kapitel Zoll VII Rn 96 unter Hinweis auf BGH, 1 StR 561/10). So gilt auch der Zollkodex (Richtlinie 2008/118) nicht unmittelbar für Verbrauchssteuern. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat bei der Harmonisierung der Verbrauchssteuern das Steuerrecht mit dem Zollrecht aber in den Fällen miteinander verzahnt, in denen die Verbrauchssteuern mit der Einfuhr der verbrauchssteuerpflichtigen Waren aus Drittländern anfallen (Voß in Grabnitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union40 Art 23 Rn 51).
Hier wurde der Kaffee nicht aus einem Drittland in die Europäische Union, sondern lediglich innerhalb der Europäischen Union verbracht, sodass zumindest zweifelhaft ist, dass die Anmeldung der Durchfuhr des Kaffees durch Deutschland, die das Entstehen der Kaffeesteuer verhindert hätte, einen Verzollungsvorgang oder einen zollgleichen Vorgang darstellt. Nur für einen solchen hätte die Beklagte Sorge zu tragen. Berücksichtigt man, dass die Beurteilung steuerrechtlicher Fragen jedenfalls nicht zu den von der Beklagten übernommenen Verpflichtungen gehört, die eine Verbrauchssteuer darstellende Kaffeesteuer – nach den obigen Ausführungen – auch nicht eindeutig als Einfuhrabgabe eingeordnet werden kann und insbesondere mit der Notwendigkeit einer Verzollung bei Warentransporten innerhalb des EU-Raums nicht zu rechnen ist, so begründet – selbst bei Anwendung des erhöhten Sorgfaltsmaßstabs des § 1299 ABGB – die Unkenntnis der hier einschlägigen Steuerbestimmungen für sich allein kein grobes Verschulden der Beklagten.

Unsere Meinung dazu

Diese Entscheidung des Obersten Gerichtshofs enthält einige interessante Punkte, die das Speditions-, Fracht- und Schadenersatzrecht betreffen. Die Quintessenz, dass ein Frachtführer (es ist Frachtrecht anzuwenden) für die Unkenntnis ausländischen Verbrauchssteuerrechts zumindest nicht für grobe Fahrlässigkeit haftet, ist nachvollziehbar und stringent. Die Ausführungen zur Verjährung sind dagegen zumindest nicht selbsterklärend und werden auch in Zukunft kein Rechtssicherheit schaffen.