Maklervertrag über willhaben.at
Ferdinand Bachinger
Admin | 23. Juli 2023
OGH vom 17.05.2023, 6 Ob 49/23h:
Gegenstand des Verfahrens ist die von der Klägerin als Immobilienmaklerin vom Beklagten begehrte Vermittlungsprovision für eine Wohnung in Italien.
Das Interesse des Beklagten am Objekt wurde über ein auf einer Online-Plattform geschaltetes Inserat geweckt. Seine Ehefrau nahm am 22.7.2021 über diese Online-Plattform Kontakt zur inserierenden Maklerin, der Klägerin, auf und ersuchte um Übermittlung näherer Informationen. Im daraufhin folgenden Telefonat wurde ein Besichtigungstermin vereinbart und wurde zwischen der Klägerin und dem Beklagten auch schon die Provisionshöhe besprochen. Dem Beklagten war damals bewusst, dass bei Inanspruchnahme der Maklerdienste der Klägerin bei Kaufvertragsabschluss ein Provisionsanspruch entstehen kann. Die Klägerin übermittelte die gewünschten Informationen inklusive der Grundrisse und Preise aller im Objekt zur Verfügung stehenden Wohnungen per E-Mail. Es wurden am 1.9.2021 die im Objekt verfügbaren Wohnungen (im Rohbau) vom Beklagten und seiner Frau in Anwesenheit der Klägerin und des Maklers der Verkäuferin besichtigt. Letztlich entschied sich der Beklagte schon einen Tag später für eine dieser Wohnungen und teilte dies der Klägerin über WhatsApp mit. Nach Übermittlung der Nebenkosten per E-Mail begab sich der Beklagte am 3.9.2021 erstmals in die auch als Büro genutzten Privaträume der Klägerin, wo er das Kaufanbot für diese Wohnung und eine schriftliche Provisionsvereinbarung unterfertigte. Er verweigerte dann aber den Abschluss des Vorvertrags (u.a. wegen divergierender Auffassungen über die bereitzustellenden Unterlagen und Differenzen bezüglich des Gesamtkaufpreises bzw. der Nebenkosten).
Eine Information durch die Klägerin über ein Rücktrittsrecht nach dem FAGG erfolgte zu keinem Zeitpunkt. Der Beklagte erklärte in der Tatsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 27.4.2022 den Rücktritt vom Maklervertrag.
Beide Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Der im Fernabsatz zustande gekommene Maklervertrag sei zwischen der Klägerin und dem Beklagten spätestens anlässlich des Telefonats über den Besichtigungstermin zustande gekommen. Die spätere Unterfertigung der schriftlichen Provisionsvereinbarung habe nur mehr die bereits zuvor geschlossene Vereinbarung bekräftigt. Mangels Aufklärung über sein Rücktrittsrecht nach dem FAGG sei der Beklagte rechtzeitig vom Maklervertrag zurückgetreten.
Anlässlich der Qualifikation eines Vertrags, der nach Bewerbung der Ware (einer hochwertigen Uhr) auch über eine Online-Plattform und ohne weiteren persönlichen Kontakt per E-Mail zustande gekommen war, als Fernabsatzvertrag hat der Oberste Gerichtshof erst unlängst (und zeitlich nach der Entscheidung des Berufungsgerichts) zu Online-Plattformen als Teil eines im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungs-systems Stellung genommen verwiesen. Danach werden unter für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystemen nicht nur solche verstanden, die der potentielle Vertragspartner des Verbrauchers selbst betreibt, sondern auch (wie hier) von einem Dritten angebotene Fernabsatz- oder Dienstleistungssysteme.
Ein Fernabsatzgeschäft setzt keinen, wie dies die Klägerin zu meinen scheint, standardisierten Geschäftsabschluss in einem „Webshop“ voraus; auch telefonisch oder per E-Mail zustande gekommene Verträge erfüllen den Tatbestand des Fernabsatzes. Wesentlich ist für die Qualifikation als Fernabsatzvertrag vor allem, dass „bis einschließlich des Zustandekommens des Vertrags ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwendet werden“ (§ 3 Ziff. 2 FAGG). Dies können durchaus auch mehrere verschiedene Fernkommunikationsmittel sein. Vom Begriff Fernabsatzgeschäft sind (sogar) Situationen erfasst, in denen der Verbraucher die Geschäftsräume lediglich zum Zwecke der Information über die Waren oder Dienstleistungen aufsucht und anschließend den Vertrag aus der Ferne verhandelt und abschließt, während ein in den Geschäftsräumen eines Unternehmers verhandelter und letztendlich über ein Fernkommunikationsmittel abgeschlossener Vertrag oder ein über Fernkommunikationsmittel (nur) angebahnter und letztendlich in den Geschäftsräumen des Unternehmers geschlossener Vertrag nicht als Fernabsatzvertrag gilt.
Zur Ansicht der Vorinstanzen, der Vertrag sei im vorliegenden Fall ohne physische Anwesenheit beider Parteien und bereits per Fernkommunikationsmitteln auf elektronischem Weg (Anfrage über die Online-Plattform, Telefonat des Beklagten mit der Klägerin) zustande gekommen, und zwar schon bevor sich der Beklagte (nach Übermittlung der Unterlagen über die verfügbaren Wohnungen per E-Mail, deren Besichtigung vor Ort und nach seiner WhatsApp-Mitteilung, für welche der Wohnungen er sich entschieden hatte) erstmals zur Unterfertigung des Kaufanbots und der (nun verschriftlichten) Provisionsvereinbarung in die Geschäftsräumlichkeiten der Klägerin begab, kann die Klägerin in der Revision, in der sie keine einzige Entscheidung des Obersten Gerichtshofs oder eine der Beurteilung des Berufungsgerichts widerstreitende Lehrmeinung nennt, eine Verkennung der Rechtslage oder ein Abweichen von Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht darlegen.
Unsere Meinung dazu
Über den Tenor dieser Entscheidung kann es keinen Zweifel geben. Auch die Unterinstanzen haben richtig entschieden. Nach dem Fernabsatzgesetz (FAGG) macht es keinen Unterschied, welche Mittel zum Vertragsabschluss eingesetzt werden. Der Verbraucher darf nur die Geschäftsräumlichkeiten des Unternehmers nicht betreten und auch kein Schriftstück zum Vertragsabschluss unterfertigt haben (Unterschrift auf Papier). Telefon, WhatsApp, Messenger, E-Mail oder SMS, alles zählt zum Fernabsatz und bedingt, dass der Unternehmer den Konsumenten auf sein Rücktrittsrecht hinweisen muss. Unterlässt er dies, kann der Verbraucher jederzeit und ohne Konsequenzen zurücktreten.