Rücktritt vom Online-Fahrzeugkauf
Ferdinand Bachinger
Admin | 02. November 2025
OGH vom 23.09.2025, 5 Ob 168/24b:
[1] Die Beklagte ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die österreichweit einen Handel mit Gebrauchtfahrzeugen betreibt. Der Kläger ist Verbraucher iSd § 1 KSchG. Er erwarb von der Beklagten einen Gebrauchtwagen um einen Kaufpreis von 22.669 EUR.
[2] Anfang 2022 suchte der Kläger (unter anderem) auf der Internetseite der Beklagten nach einem Fahrzeug. Die dort gezeigten Inserate für die zum Verkauf angebotenen Gebrauchtwägen enthielten jeweils die wesentlichen Informationen über das Fahrzeug, den Kaufpreis und eine von der Beklagten vergebene unternehmensinterne Kennnummer.
[3] Das Fahrzeug, für das sich der Kläger interessierte, befand sich zu diesem Zeitpunkt in der Niederlassung der Beklagten in * in der Steiermark. Der Kläger nahm telefonisch Kontakt mit einem Mitarbeiter der Beklagten auf, teilte diesem die Kennnummer des Fahrzeugs mit und bekundete sein Interesse an diesem.
[4] Im März 2022 war der Kläger zufällig in der Steiermark. Er kontaktierte den Mitarbeiter der Beklagten bezüglich einer Probefahrt. In der Niederlassung der Beklagten in * empfing ihn eine „Dame“. Diese händigte ihm, nachdem er ein Dokument für die Versicherung während der Probefahrt unterschrieben hatte, die Autoschlüssel aus. Der Kläger absolvierte die Probefahrt und stellte das Auto wieder in der Niederlassung der Beklagten ab. Er gab den Schlüssel im dortigen Büro zurück und fuhr nach Hause. Der Kläger sprach in der Niederlassung der Beklagten mit Mitarbeitern der Beklagten nicht über den Kaufpreis und führte dort auch keine Vertragsverhandlungen.
[5] Der Kläger nahm in der Folge neuerlich telefonisch Kontakt mit dem Mitarbeiter der Beklagten auf und teilte ihm mit, dass er das Fahrzeug kaufen möchte. Der Mitarbeiter übermittelte dem Kläger am 31. 3. 2022 per E-Mail einen Kaufvertrag, den er am 22. 4. 2022 elektronisch auf seinem Handy unterschrieb und per E-Mail an die Beklagte zurücksandte.
[6] Zur Finanzierung des Kaufs schloss der Kläger am 25. 4. 2022 einen Leasingvertrag mit der e* GmbH ab. Die Leasingfinanzierung wurde dem Kläger von seinem Versicherungsvertreter vermittelt und steht in keinem Zusammenhang mit der Beklagten. Die Leasinggeberin zahlte den Kaufpreis in Höhe von 22.669 EUR an die Beklagte.
[7] Die Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger fand am 5. 5. 2022 statt. Im Zuge dieser Übergabe unterschrieb der Kläger den bereits elektronisch unterschriebenen Kaufvertrag nochmals in Papierform. Er zahlte der Beklagten eine Fremdfinanzierungsgebühr in Höhe von 250 EUR.
[8] Mit E-Mail vom 16. 5. 2022 schrieb der Kläger der Beklagten folgende Nachricht:
„Am 5. Mai 2022 habe ich bei ihnen einen Leasingvertrag für einen VW Passat unterschrieben; leider sind mir in den letzten zwei Wochen gewisse Mängel aufgefallen (Ölverbrauch und hoher Benzinverbrauch) und somit würde ich das Rücktrittsrecht gerne erheben. Ich bitte darum mir schnellstmöglich alle nötigen Unterlagen diesbezüglich zukommen zu lassen.“
[9] Mit Schreiben vom 19. 5. 2022 an die Beklagte erklärte der Klagsvertreter im Namen des Klägers unter Verweis auf das 14-tägige Rücktrittsrecht gemäß § 11 FAGG nochmals den Rücktritt vom Kaufvertrag.
[10] Zum Zeitpunkt der Übergabe am 5. 5. 2022 wies das Fahrzeug eine Laufleistung von 17.658 km auf. Bis zum 27. 7. 2023 legte der Kläger mit dem Fahrzeug insgesamt 16.762 km zurück. Der beim Fahrzeug ab Übergabe bis zum 27. 7. 2023 eingetretene Wertverlust beträgt 1.800 EUR.
[11] Der Kläger begehrte, die Beklagte schuldig zu erkennen, an ihn 250 EUR sowie 22.669 EUR der e* GmbH auf das konkret bezeichnete Leasingkonto zu zahlen, dies Zug um Zug gegen Rückstellung des Fahrzeugs.
[12] Der Kaufvertrag sei ein Fernabsatzgeschäft iSd § 3 Z 2 FAGG. Ob das Fahrzeug vor Abschluss des Kaufvertrags Probe gefahren worden sei, sei für die Anwendbarkeit des FAGG irrelevant. Der Kläger sei am 16. 5. 2022 gemäß § 11 FAGG wirksam vom Vertrag zurückgetreten. Der Kaufvertrag und der damit verbundene Leasingvertrag gemäß § 13 Verbraucherkreditgesetz (VKrG) seien damit rechtswirksam aufgelöst. Die Beklagte habe in deren Vertragsmuster auf das Rücktrittsrecht gemäß § 11 FAGG selbst hingewiesen. Ihr Vorbringen, es käme kein Rücktrittsrecht zur Anwendung, verstoße gegen das Verbot des „venire contra factum proprium“.
[13] Auf weitere Rechtsgründe für das Klagebegehren kam der Kläger zum Teil schon im Berufungsverfahren und zum Teil nun im Revisionsverfahren nicht mehr zurück.
[14] Die Beklagte bestritt das Vorliegen eines Fernabsatzgeschäfts. Der Kläger sei im Zuge der Vertragsanbahnung und Abwicklung persönlich vor Ort gewesen und habe das Fahrzeug Probe gefahren. Zudem habe er den Kaufvertrag nicht nur digital, sondern persönlich vor Ort bei der Beklagten unterschrieben, erst danach sei es zur Übergabe des Fahrzeugs gekommen. Selbst wenn vorerst ein auf dem FAGG basierendes Fernabsatzgeschäft abgeschlossen worden wäre, seien die Streitteile durch die Unterfertigung des Kaufvertrags am 5. 5. 2022 einvernehmlich von diesem abgegangen und hätten ein neues Schuldverhältnis begründet. Der Kläger sei nicht zur Klageführung aktivlegitimiert, zumal das Fahrzeug im Eigentum der Leasinggeberin stehe und unter Berücksichtigung, dass bis dato lediglich monatliche Leasingentgelte bezahlt worden seien, der Leasingvertrag jedenfalls nicht mit dem Kaufpreis aushaften könne. Darüber hinaus sei auch nicht gesichert, dass die Leasinggesellschaft das Fahrzeug nach Bezahlung des Kaufpreises tatsächlich an die Beklagte retournieren werde.
[15] Für den Fall einer zu Recht bestehenden Klageforderung werde ein Betrag in Höhe von 2.500 EUR als Gegenforderung eingewendet, zumal der Beklagten in diesem Fall ein Benützungsentgelt für die Nutzung des Fahrzeugs zustehe.
[16] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
[17] Voraussetzung für ein Fernabsatzgeschäft iSd § 3 Z 2 FAGG sei nach dem ErwGr 20 der Verbraucherrechte-Richtlinie, dass der Kontakt bis einschließlich des Zustandekommens des Vertrags ausschließlich mit Hilfe eines Fernkommunikationsmittels stattfinde. Die bloße Tatsache, dass der Verbraucher die Geschäftsräume des Unternehmens betrete, um sich dort über die Waren oder Dienstleistungen zu informieren, schließe bei einer späteren Aushandlung und Schließung des Vertrags „aus der Ferne“ die Qualifikation des Vertrags als Fernabsatzvertrag zwar nicht aus. Hier habe es in der Phase der Vertragsverhandlungen bis zum Vertragsabschluss aber einen persönlichen Kontakt zwischen dem Kläger und der Beklagten gegeben. Die Durchführung einer Probefahrt gehe zudem über eine „bloße“ Information, die sich der Verbraucher in den Geschäftsräumlichkeiten des Unternehmers einhole, hinaus. Der Kläger habe die Ware so geprüft, wie dies bei einem „konventionellen“ Kauf in den Geschäftsräumlichkeiten des Unternehmers der Fall gewesen wäre. Sinn und Zweck des FAGG sowie des darin normierten Rücktrittsrechts sei es, den Verbraucher vor den typischen Gefahren bei Fernabsatzgeschäften zu schützen. Eine solche bestehe darin, dass der Verbraucher die Ware davor nicht überprüfen und „in Augenschein“ nehmen könne. Genau dies habe der Kläger jedoch tun können. Er habe eine Probefahrt absolviert und den Kaufvertrag abgeschlossen, weil er nach Durchführung dieser Probefahrt mit dem Fahrzeug zufrieden gewesen sei.
[18] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.
[19] Das Erstgericht habe im Rahmen seiner zutreffenden rechtlichen Beurteilung sowohl die Definition eines Fernabsatzvertrags in § 3 Z 2 FAGG als auch die Ausführungen im ErwGr 20 der Verbraucherrechte-Richtlinie beachtet. Laut diesem Erwägungsgrund solle diese Begriffsbestimmung zwar auch Situationen erfassen, in denen der Verbraucher die Geschäftsräume lediglich zum Zwecke der Information über die Waren oder Dienstleistungen aufsuche und anschließend den Vertrag aus der Ferne verhandle und abschließe. Die Durchführung einer Probefahrt mit dem konkreten Kaufobjekt gehe aber über eine bloße „Information über die Waren“ in den Geschäftsräumlichkeiten des Unternehmers hinaus. Der Kläger sei in der Lage gewesen, das letztlich gekaufte Fahrzeug nicht nur anzusehen, sondern sogar im Realbetrieb zu testen; er sei somit nicht den typischen Gefahren bei Fernabsatzgeschäften ausgesetzt gewesen, die darin lägen, dass der Verbraucher die Ware, die er gekauft habe, vorher nicht sehen könne.
[20] Gehe man von einem außer Streit gestellten Kaufvertragsabschluss bereits vor dem Tag der Übernahme des Fahrzeugs vor Ort aus, so sei die nochmalige Unterfertigung einer „Papierversion“ des Kaufvertrags am 5. 5. 2022 für die Frage, ob ein Fernabsatzgeschäft vorliege, unbeachtlich.
[21] Das Berufungsgericht ließ die Revision an den Obersten Gerichtshof zu. Es gebe keine Rechtsprechung zur Frage, ob die Durchführung einer Probefahrt vor Abschluss eines Kaufvertrags über einen Gebrauchtwagen mittels Fernkommunikationsmittel das Vorliegen eines Fernabsatzvertrags iSd § 3 Z 2 FAGG hindere.
[22] Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers. Als Revisionsgrund macht er die Unrichtigkeit der rechtlichen Beurteilung geltend. Er beantragt, das Urteil des Berufungsgerichts dahin abzuändern, dass der Klage stattgegeben werde. Hilfsweise stellt der Kläger einen Aufhebungsantrag.
[23] Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu dieser nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[24] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist – im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags – auch berechtigt.
[25] 1. Nach der Legaldefinition des § 3 Z 2 FAGG bezeichnet ein „Fernabsatzvertrag“ jeden Vertrag, der zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems geschlossen wird, wobei bis einschließlich des Zustandekommens des Vertrags ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwendet werden.
[26] 2. In diesem Verfahren ist – zu Recht (vgl etwa 9 Ob 39/22h) – nicht strittig, dass sich die Beklagte eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems iSd § 3 Z 2 FAGG bedient. Wesentliche Streitfrage ist vielmehr, ob hier auch das Kriterium des Vertragsabschlusses ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit von Unternehmer und Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln erfüllt ist, weil der Kläger vor Vertragsabschluss bei einer Niederlassung der Beklagten eine Probefahrt durchgeführt hat.
[27] Der Umstand, dass der Kaufvertrag danach durch die jeweils per E-Mail, also mittels Fernkommunikation, erfolgte Übermittlung von Angebot und Annahme zustande kam, ist hingegen – auch im Revisionsverfahren – nicht strittig. Ausgehend davon hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt, dass die nachträgliche Unterfertigung einer „Papierversion“ des Kaufvertrags am Tag der Übernahme des Fahrzeugs für die Frage, ob ein Fernabsatzgeschäft vorliegt, nicht relevant ist. Die Beklagte will dies zwar als „neuerlichen Kaufvertragsabschluss“ gewertet wissen. Ein Neuerungsvertrag iSd §§ 1376 ff ABGB kommt jedoch nur zustande, wenn nach dem Willen der vertragschließenden Parteien das ursprüngliche Schuldverhältnis durch Änderung des Rechtsgrundes oder des Hauptgegenstands durch ein neues ersetzt wird, in dem sie mit der Begründung des neuen die Aufhebung des alten verknüpfen (RS0032502). Umstände, die die Annahme einer solchen Novation rechtfertigen, sind weder dem Vorbringen der Beklagten noch dem festgestellten Sachverhalt zu entnehmen.
[28] 3.1. Der Legaldefinition des § 3 Z 2 FAGG liegt die Richtlinie 2011/83/EU (Verbraucherrechte-Richtlinie) zugrunde, die dazu im ErwGr 20 Folgendes festhält:
„(20) Die Begriffsbestimmung von Fernabsatzverträgen sollte alle Fälle erfassen, in denen ein Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher im Rahmen eines für die Lieferung im Fernvertrieb organisierten Verkaufs- oder Dienstleistungserbringungssystems geschlossen wird, wobei bis einschließlich zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ausschließlich ein oder mehrere Fernkommunikationsmittel verwendet wird/werden (z.B. Bestellung per Post, Internet, Telefon oder Fax). Diese Begriffsbestimmung sollte auch Situationen erfassen, in denen der Verbraucher die Geschäftsräume lediglich zum Zwecke der Information über die Waren oder Dienstleistungen aufsucht und anschließend den Vertrag aus der Ferne verhandelt und abschließt. Im Gegensatz dazu sollte ein Vertrag, der in den Geschäftsräumen eines Unternehmers verhandelt und letztendlich über ein Fernkommunikationsmittel geschlossen wird, nicht als Fernabsatzvertrag gelten. Desgleichen sollte ein Vertrag, der über ein Fernkommunikationsmittel angebahnt und letztendlich in den Geschäftsräumen des Unternehmers geschlossen wird, nicht als Fernabsatzvertrag gelten. […]“
[29] Voraussetzung für die Qualifikation als Fernabsatzvertrag ist demnach zwar, dass „bis einschließlich des Zustandekommens des Vertrags ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwendet werden“. Vom Begriff Fernabsatzgeschäft sind aber auch Situationen erfasst, in denen der Verbraucher die Geschäftsräume (bloß) zum Zweck der Information über die Waren oder Dienstleistungen aufsucht und anschließend den Vertrag aus der Ferne verhandelt und abschließt. Lediglich ein Vertrag, der in den Geschäftsräumen eines Unternehmers verhandelt und letztendlich über ein Fernkommunikationsmittel geschlossen wird, soll nicht als Fernabsatzvertrag gelten (6 Ob 49/23h).
[30] 3.2. Nach den Erwägungen des Richtliniengesetzgebers soll also das wesentliche Element die Vertragsverhandlung sein (Illibauer in Keiler/Klauser, Österreichisches und Europäisches Verbraucherrecht § 3 FAGG Rz 16). Hat zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher ein Kontakt in beider Anwesenheit stattgefunden, muss demnach für die Beurteilung, ob dennoch ein Fernabsatzvertrag vorliegt, zwischen der Einholung von Informationen und Vertragsverhandlungen unterschieden werden (vgl Dehn in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 3 FAGG Rz 11; Leupold in Kosesnik-Wehrle, KSchG5 § 3 FAGG Rz 23).
[31] Entscheidend ist damit die Qualität des stattgefundenen Kontakts. Eine klare abstrakte Abgrenzung, wann der Kontakt lediglich der Einholung von Informationen gedient hat und wann zudem auch schon der Vertragsverhandlung, ist nicht möglich; es ist dies vielmehr eine Entscheidung im Einzelfall (vgl zu § 312c BGB Wendehorst in MüKoBGB § 312c Rn 20; Föhlisch in Bittner/Clausnitzer/Föhlisch, Das neue Verbrauchervertragsrecht, 32; Martens in Bamberger/Roth/Hau/Posek § 312c BGB Rn 15 f; Thüsing in Staudinger, BGB § 312c Rn 36).
[32] 3.3. Die Vorinstanzen stellen nicht auf die Qualität des stattgefundenen Kontakts zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher ab, deren Argumentation fokussiert vielmehr allein auf das an sich für Fernabsatzgeschäfte typische Informationsdefizit.
[33] Dieser Zugang findet in der Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) insofern eine Stütze, als dieser zum korrespondierenden Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen nach den §§ 312c Abs 1 und 312g Abs 1 BGB betont, dass das Widerrufsrecht des Verbrauchers dessen typischerweise bestehendes und unter Umständen zu Fehlentscheidungen führendes Informationsdefizit ausgleichen soll. Fernabsatzverträge seien dadurch gekennzeichnet, dass Anbieter und Verbraucher sich nicht physisch begegneten und der Verbraucher die vom Unternehmer angebotene Ware in der Regel nicht vor Vertragsschluss in Augenschein nehmen oder sich Kenntnis von den Eigenschaften der Dienstleistung verschaffen könne. Um der daraus erwachsenden Gefahr von Fehlentscheidungen des Verbrauchers zu begegnen, sei ihm ein Widerrufsrecht eingeräumt. Demzufolge bestehe nur in den Fällen das Bedürfnis für ein Widerrufsrecht, in denen der Verbraucher keine Möglichkeit habe, vor Vertragsschluss den Vertragsgegenstand persönlich in Augenschein zu nehmen oder im persönlichen Gespräch mit dem Unternehmer oder mit einer in dessen Namen oder Auftrag handelnden Person Fragen zu stellen und Unklarheiten auszuräumen (BGH, Urteil vom 25. 9. 2024 – VIII ZR 58/23 mwN).
[34] Aber auch nach der Rechtsprechung des BGH gilt es nicht nur, die fehlende Prüfbarkeit der Ware oder Dienstleistung auszugleichen, sondern auch die fehlende Beratung durch eine natürliche Person. So liege ein Fernabsatzvertrag auch dann vor, wenn dem Verbraucher im Rahmen der Vertragsanbahnung oder des Vertragsabschlusses zwar eine Person im unmittelbaren persönlichen Kontakt gegenübertrete, sich deren Rolle jedoch auf eine bloße Botenfunktion beschränke, die über den Vertragsinhalt und insbesondere über die Beschaffenheit der Vertragsleistung keine näheren Auskünfte geben könne und solle. Denn ein solcher Bote vermöge die durch das Distanzgeschäft begründeten Defizite – fehlende Prüfbarkeit der Ware oder Dienstleistung; fehlende Informationsmöglichkeit durch eine natürliche Person – nicht auszugleichen. Etwas anderes gelte dann, wenn die – durch den Unternehmer – eingeschaltete Person nicht lediglich darauf beschränkt sei, Willenserklärungen und Waren zu überbringen und entgegenzunehmen, sondern diese in der Lage und damit beauftragt sei, dem Verbraucher in einem persönlichen Gespräch nähere Auskünfte über die angebotene Ware oder Dienstleistung zu geben, wie dies etwa bei Vermittlern der Fall sein könne (BGH, Urteil vom 25. 9. 2024 – VIII ZR 58/23 mwN).
[35] 3.4. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) sprach in seinem Urteil vom 21. 12. 2023 in den verbundenen Rechtssachen C-38/21, C-47/21 und C-232/21 über ein entsprechendes Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Ravensburg aus, dass ein Dienstleistungsvertrag, der zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer unter Verwendung eines Fernkommunikationsmittels geschlossen wird, nicht als „Fernabsatzvertrag“ iSv Art 2 Nr 7 der Richtlinie 2011/83/EU eingestuft werden kann, wenn dem Vertragsschluss eine Verhandlungsphase vorausging, bei der neben dem Verbraucher ein im Namen oder Auftrag des Unternehmers handelnder Vermittler körperlich anwesend war und in deren Verlauf der Verbraucher von dem Vermittler für die Zwecke dieser Verhandlungen alle in Art 6 der Richtlinie 2011/83/EU genannten Informationen erhielt und dem Vermittler Fragen zu dem ins Auge gefassten Vertrag oder dem gemachten Angebot stellen konnte, um jeden Zweifel an der Tragweite seiner etwaigen vertraglichen Bindung an den Unternehmer auszuräumen.
[36] Dem legte der EuGH die Erwägungen zugrunde, dass zufolge der Definition des Begriffs „Unternehmer“ in Art 2 Nr 2 der Richtlinie 2011/83/EU ein Unternehmer bei Verträgen, die in ihren Geltungsbereich fielen, durch eine andere Person, die in seinem Namen oder Auftrag handle, tätig werden könne. Ein Vermittler, der vom Unternehmer die Befugnis erhalten habe, die Berechnung der verschiedenen Elemente des Vertragsgegenstands vorzunehmen, die Modalitäten und Bedingungen des Vertrags mit dem Verbraucher zu erörtern, Auskünfte über den beabsichtigten Vertrag zu erteilen und Fragen des Verbrauchers zu beantworten sowie dessen schriftlichen Antrag auf Abschluss dieses Vertrags mit dem Unternehmer auszufüllen, entgegenzunehmen oder weiterzuleiten, handle zwangsläufig sowohl im Namen als auch im Auftrag des Unternehmers (Rn 165 f). Wenn der Verbraucher und ein im Namen oder Auftrag des Unternehmers handelnder Vermittler in der Anbahnungsphase des Vertrags gleichzeitig körperlich anwesend seien, sei es daher grundsätzlich ausgeschlossen, vom Vorliegen eines unter ausschließlicher Verwendung eines oder mehrerer Fernkommunikationsmittel geschlossenen Vertrags auszugehen (Rn 167). Wie aus dem ErwGr 20 der Richtlinie 2011/83/EU hervorgehe, erfasse die Definition des Begriffs „Fernabsatzvertrag“ gleichwohl Fälle, in denen der Verbraucher die Geschäftsräume lediglich zum Zweck der Information über die Waren oder Dienstleistungen aufsuche und anschließend den Vertrag aus der Ferne aushandle und abschließe. Dagegen sei ein Vertrag, der in den Geschäftsräumen eines Unternehmers ausgehandelt und letztlich über ein Fernkommunikationsmittel geschlossen werde, nicht als Fernabsatzvertrag anzusehen (Rn 168). Die Bestimmungen der Richtlinie 2011/83/EU über Fernabsatzverträge sollten in diesem Sinne verhindern, dass die Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zu einer Verringerung der dem Verbraucher vermittelten Informationen führe, insbesondere da die Informationen, die er vor dem Abschluss eines Vertrags gemäß Art 6 der Richtlinie 2011/83/EU sowohl über dessen Bedingungen und die Folgen des Vertragsschlusses, um ihm die Entscheidung zu ermöglichen, ob er sich vertraglich an einen Unternehmer binden möchte, als auch über die ordnungsgemäße Vertragserfüllung und vor allem die Ausübung seiner Rechte erhalten habe, für ihn von grundlegender Bedeutung seien (Rn 169). Somit seien Verträge, die zwar mit dem Unternehmer unter Verwendung eines Fernkommunikationsmittels geschlossen worden seien, aber Gegenstand von Verhandlungen zwischen dem Verbraucher und einem im Namen oder Auftrag des Unternehmers handelnden Vermittler gewesen seien, bei denen der Verbraucher, da der Vermittler körperlich anwesend gewesen sei, insbesondere die in Art 6 der Richtlinie 2011/83/EU genannten Informationen erhalten habe und dem Vermittler Fragen zu dem ins Auge gefassten Vertrag oder dem gemachten Angebot stellen habe können, um jeden Zweifel an der Tragweite seiner etwaigen vertraglichen Bindung an den Unternehmer auszuräumen, nicht als „Fernabsatzvertrag“ iSv Art 2 Nr 7 der Richtlinie 2011/83/EU einzustufen (Rn 170). Dagegen könne ein Vertrag, der zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer unter Verwendung eines oder mehrerer Fernkommunikationsmittel geschlossen werde, als „Fernabsatzvertrag“ iSv Art 2 Nr 7 der Richtlinie 2011/83/EU eingestuft werden, wenn in der Phase der Anbahnung des Vertrags mit dem Unternehmer neben dem Verbraucher ein im Namen oder Auftrag des Unternehmers handelnder Vermittler körperlich anwesend gewesen sei, dessen Rolle sich aber darauf beschränkt habe, dem Verbraucher die Sammlung von Informationen über den Vertragsgegenstand zu ermöglichen und gegebenenfalls den Antrag des Verbrauchers entgegenzunehmen und dem Unternehmer zu übermitteln, ohne dass er mit dem Verbraucher verhandeln oder ihm die in Art 6 der Richtlinie 2011/83/EU genannten Informationen zur Verfügung stellen habe können (Rn 171).
3.5. Mit Blick auf die hier zu beurteilende Fallkonstellation ist daher zusammenfassend festzuhalten:
[37] Ein persönlicher Kontakt zwischen dem Verbraucher und dem Unternehmer oder einer in dessen Namen oder Auftrag handelnden Person (im Sinn von deren gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit) in der Phase der Anbahnung des Vertrags steht der Qualifikation eines Vertrags als Fernabsatzvertrag iSd § 3 Z 2 FAGG nur dann entgegen, wenn es im Rahmen dieses Kontakts zu Vertragsverhandlungen gekommen ist. Daher liegt trotz eines solchen persönlichen Kontakts ein Fernabsatzgeschäft vor, wenn sich die Rolle der körperlich anwesenden, dem Unternehmer zuzurechnenden Person darauf beschränkte, dem Verbraucher die Sammlung von Informationen über den Vertragsgegenstand zu ermöglichen, ohne dass er mit dem Verbraucher verhandeln oder ihm die dafür notwendigen Informationen zur Verfügung stellen konnte.
[38] 4.1. Für den Anlassfall bedeutet dies, dass allein die Tatsache, dass der Verbraucher vor dem Online-Gebrauchtwagenkauf eine Probefahrt durchgeführt hat, der Qualifikation des Kaufvertrags als Fernabsatzgeschäft nicht jedenfalls entgegensteht. Die Probefahrt an sich ermöglicht dem Verbraucher zwar, das angebotene Kaufobjekt vor Vertragsschluss in Augenschein zu nehmen und unmittelbar körperlich zu überprüfen, sie dient damit aber nach wie vor (bloß) der Einholung von Informationen, nicht der Vertragsverhandlung.
[39] Auch die von den Vorinstanzen zitierte scheinbar gegenteilige Meinung in der deutschen Literatur zu § 312c BGB (Brinkmann, Das Fernabsatzwiderrufsrecht am Beispiel des Online-Autokaufs, ZJS 1/2022, 11), wonach bei einem Online-Autokauf kein Fernabsatzgeschäft mehr vorliegt, wenn der Käufer mit dem Auto eine Probefahrt unternimmt, basiert auf der Annahme, dass mit der Probefahrt die Informationsphase endet und in die Verhandlungsphase übergeht, weil es zu einer „individuellen Kommunikation“ zwischen den Vertragsparteien kommt. Was im gegebenen Zusammenhang unter einer „individuellen Kommunikation“ zu verstehen ist, bleibt freilich offen.
[40] 4.2. Der Kläger hat hier anlässlich der von ihm absolvierten Probefahrt keine Vertragsverhandlungen geführt. Aus den Feststellungen des Erstgerichts geht auch nicht hervor, dass es dem Kläger vor Ort zumindest möglich gewesen wäre, Vertragsverhandlungen zu führen. Die Beklagte behauptete auch gar nicht, dass zum Zeitpunkt der Probefahrt in der Niederlassung eine der Beklagten zuzurechnende Person anwesend war, die dem Kläger nähere Auskünfte über das Fahrzeug und/oder den Vertrag geben, ihm insbesondere die in § 4 Abs 1 FAGG – mit dem Art 6 Abs 1 der Richtlinie 2011/83/EU umgesetzt wurde – genannten Informationen zur Verfügung stellen hätte können.
[41] Die hier konkret zu beurteilende Probefahrt ist somit jenen Fällen gleichzusetzen, in denen der Verbraucher die Geschäftsräume lediglich zum Zwecke der Information über die Waren oder Dienstleistungen aufsucht und anschließend den Vertrag aus der Ferne verhandelt und abschließt. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag ist daher als Fernabsatzgeschäft zu qualifizieren.
[42] 4.3. Von diesem Fernabsatzvertrag konnte der Kläger binnen 14 Tagen ohne Angabe von Gründen zurücktreten (§ 11 Abs 1 FAGG).
[43] Da der (Richtlinien-)Gesetzgeber nur von einer typisierten Betrachtung ausgehen kann, kommen die verbraucherrechtlichen Schutzbestimmungen des FAGG und der zugrunde liegenden Verbraucherrechte-Richtlinie mangels gesetzlicher Einschränkungen auch dann zur Anwendung, wenn sich die potenziellen Gefahren, die sich allgemein mit Unsichtbarkeit des Vertragspartners und des Produkts, Fehlen persönlicher Beratung, übereilte Bestellung, unklare Darstellung der Zahlungs- und Lieferbedingungen und Ähnliches skizzieren lassen, im Einzelnen nicht realisieren. Ausreichende vorvertragliche Kaufinformationen beseitigen das Rücktrittsrecht nach § 11 FAGG daher nicht (9 Ob 39/22h). [44] 5.1. Folge des wirksamen Rücktritts nach § 11 Abs 1 FAGG ist, dass der Unternehmer alle vom Verbraucher geleisteten Zahlungen zu erstatten hat (§ 14 Abs 1 FAGG). Bei Kaufverträgen und sonstigen auf den entgeltlichen Erwerb einer Ware gerichteten Verträgen hat der Verbraucher die empfangene Ware an den Unternehmer zurückzustellen (§ 15 Abs 1 FAGG); der Unternehmer kann die Rückzahlung verweigern, bis er entweder die Ware wieder zurückerhalten oder ihm der Verbraucher einen Nachweis über die Rücksendung der Ware erbracht hat (§ 14 Abs 3 FAGG).
[45] 5.2. Die Beklagte wandte unter Verweis auf die Leasingfinanzierung ein, dass der Kläger nicht aktivlegitimiert sei, den geleisteten Kaufpreis zurückzufordern.
[46] In Sachverhaltskonstellationen im Zusammenhang mit der Finanzierung des Kaufs eines Fahrzeugs durch Leasing ist zu differenzieren, ob ein Leasingvertrag erst nach dem Erwerb (und unabhängig davon) abgeschlossen wurde oder ob der (gleichzeitig abgeschlossene) Kaufvertrag nur der Spezifikation des Fahrzeugs diente und die Leasinggeberin unmittelbar in den Kaufvertrag eintrat. Hat der Käufer und Leasingnehmer einen zivilrechtlich voll wirksamen Kaufvertrag und erst nachträglich zur Finanzierung des Kaufpreises einen Leasingvertrag geschlossen, wird angenommen, dass der Kauf des Fahrzeugs und der Leasingvertrag keine vertragliche Einheit bilden. Erfolgte demgegenüber die Finanzierung des Erwerbs des Fahrzeugs über einen gleichzeitig mit dem Kaufvertrag abgeschlossenen (und mit diesem daher eine vertragliche Einheit bildenden) Leasingvertrag, trat die Leasinggeberin unmittelbar in den ursprünglichen, ausschließlich der Spezifikation des Fahrzeugs dienenden Kaufvertrag ein (5 Ob 220/24z mwN; zur Frage der Anwendbarkeit des Rücktrittsdurchgriffs nach § 13 VKrG auf Leasingverträge vgl etwa Heinrich/Pendl in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar5 § 26 VKrG Rz 36).
[47] Hier steht dazu (lediglich) fest, dass der Kläger zur Finanzierung des Kaufvertrags einen „Leasingvertrag“ abschloss, diese Leasingfinanzierung dem Kläger von seinem Versicherungsvertreter vermittelt wurde und „in keinem Zusammenhang mit der Beklagten“ steht. Auf dieser Basis ist davon auszugehen, dass der Kauf des Fahrzeugs und der Leasingvertrag im dargestellten Sinn keine vertragliche Einheit bilden.
[48] Die Leasinggeberin zahlte den Kaufpreis allerdings direkt an die Beklagte. Nach der Rechtsprechung steht dem Käufer bei einem durch Drittfinanzierung erfolgten Kauf und Einlösung der Kaufpreisforderung (§ 1422 ABGB) nach erfolgter Auflösung des Kaufvertrags nur ein Rückforderungsrecht gegenüber dem Drittfinanzierer zu, nicht aber unmittelbar gegenüber dem Verkäufer (8 Ob 617/92; RS0016317). Für die Rückabwicklung kommt es daher darauf an, ob die Leasinggeberin die Forderung aus dem finanzierten Geschäft auf Rechnung des Klägers auf dessen Anweisung hin getilgt hat, oder ob sie die Forderung im eigenen Namen eingelöst bzw allenfalls auch durch Zession erworben hat. Im Fall der Tilgung der Forderung kann der Kläger hier die von ihm selbst und/oder eben die von der Leasinggeberin für den Kläger an die Beklagte erbrachten Leistungen von dieser zurückfordern. Hat die Leasinggeberin hingegen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung gezahlt und die Kaufpreisforderung eingelöst (§ 1422 ABGB) oder wurde ihr diese kaufweise zediert, kann der Kläger nur jene Leistungen, welche er selbst erbracht hat, vom jeweiligen Empfänger kondizieren (vgl zur Rückabwicklung nach § 13 VKrG Pendl in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar5 § 13 VKrG Rz 20 f, 23).
[49] 5.3. Nach den Feststellungen hat die Leasinggeberin den Kaufpreis von 22.669 EUR direkt an die Beklagte überwiesen. Der Kläger selbst hat lediglich die Fremdfinanzierungsgebühr von 250 EUR an die Beklagte geleistet. Wenn die Leasinggeberin den Kaufpreis im eigenen Namen gezahlt und die Kaufpreisforderung eingelöst haben sollte, so stünde der auf den Kaufpreis gerichtete Rückforderungsanspruch nicht dem Kläger zu.
[50] Der Kläger begehrt hier auch nur die Zahlung der von ihm geleisteten Fremdfinanzierungsgebühr an sich selbst, die Zahlung des Kaufpreises soll hingegen an die Leasinggeberin direkt erfolgen. Die Klage, die auf die Rückforderung des Kaufpreises gerichtet ist, steht dem Kläger allerdings nur dann zu, wenn er selbst zur Geltendmachung dieses Rückforderungsanspruchs aktivlegitimiert ist. Nur in diesem Fall könnte der Kläger auch Zahlung an einen Dritten begehren (vgl Kodek in Fasching/Konecny3 III/1 § 244 ZPO Rz 48). Wenn der Kläger hingegen nicht selbst aktivlegitimiert ist, läuft die Klagsführung auf eine gewillkürte Prozessstandschaft (Prozessführung im eigenen Namen über fremdes Recht) hinaus, die dem österreichischen Recht fremd (RS0053157) und damit unzulässig ist.
[51] Der Umstand, dass der Kläger in seinem Klagebegehren die Zahlung von sich aus Zug um Zug mit der Rückstellung des Fahrzeugs verknüpft, wäre hingegen auch dann unproblematisch, wenn dieses – wie von der Beklagten behauptet – im Eigentum der Leasinggeberin stehen sollte. Abgesehen von der Frage der Beschwer der Beklagten liegt aus materiell-rechtlicher Sicht Unmöglichkeit der Leistung bei einer obligatorischen Verpflichtung zur Herausgabe einer Sache nicht schon im Nichtbesitz der Sache (RS0018446 [T1]). Nur dann, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststünde, dass ein für die Rückstellungsverpflichtung erforderliches Mitwirken des Dritten von diesem endgültig verweigert wird, ist von einer Unmöglichkeit der Leistung auszugehen (RS0016423; 8 Ob 150/08d [Zug-um-Zug-Verpflichtung zur Rückstellung eines Fahrzeugs]).
[52] 5.4. Ausgehend von der vom erkennenden Senat nicht geteilten Rechtsansicht, die Bestimmungen des FAGG kämen mangels Vorliegens eines Fernabsatzvertrags nicht zur Anwendung, haben die Vorinstanzen die Aktivlegitimation zur Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs – trotz des entsprechenden, ausreichend konkretisierten Einwands der Beklagten – nicht materiell-rechtlich geprüft und die für diese rechtliche Beurteilung erforderlichen Feststellungen nicht getroffen. Auf Basis des bisher festgestellten Sachverhalts kann nicht verlässlich beurteilt werden, ob – wenn zwischen dem Kaufvertrag und dem Leasingvertrag nicht überhaupt eine vertragliche Einheit besteht – die Leasinggeberin den Kaufpreis auf Rechnung des Klägers auf dessen Anweisung hin oder im eigenen Namen und auf eigene Rechnung gezahlt und die Kaufpreisforderung eingelöst (§ 1422 ABGB) hat.
[53] Die Urteile der Vorinstanzen waren daher insoweit jedenfalls – aufzuheben und die Rechtssache war zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
[54] 6.1. Zur Rückforderung der von ihm geleisteten Fremdfinanzierungsgebühren ist der Kläger nach dem Gesagten zweifellos berechtigt. Gegen die mögliche Fällung eines Teilurteils in diesem Umfang spricht allerdings der Umstand, dass (auch) über die Berechtigung der von der Beklagten compensando eingewandten Gegenforderung noch nicht abschließend entschieden werden kann.
[55] 6.2. Die Beklagte erhebt eine Gegenforderung aus dem Titel des Benützungsentgelts. Einen solchen Wertverlust hat das Erstgericht auch festgestellt.
[56] Im Fall des Rücktritts nach § 11 FAGG dürfen dem Verbraucher abgesehen von einem allfälligen Wertverlust infolge eines über die Prüfung hinausreichenden Umgangs des Verbrauchers mit der Ware (§ 15 Abs 4 FAGG) und – hier nicht relevant – den Rücksendekosten und der Nichterstattung der Liefer-Mehrkosten keine Kosten auferlegt werden (§ 15 Abs 5 FAGG). Ein Benützungsentgelt, wie es noch im alten Fernabsatzregime vorgesehen war (§ 5g Abs 1 Z 2 KSchG aF), ist daher nicht zu zahlen (ErlRV 89 BlgNR XXV. GP 37; statt vieler Hammerl in Kosesnik-Wehrle, KSchG5 § 15 FAGG Rz 16; vgl auch 6 Ob 36/20t).
[57] 6.3. Die Beklagte hat in ihrer Verteidigung des vom Kläger unter Hinweis auf § 15 Abs 4 FAGG bestrittenen Anspruchs auf Benützungsentgelt allerdings ausdrücklich (auch) einen durch die Nutzung bedingten Wertverlust geltend gemacht.
[58] Nach § 15 Abs 4 FAGG hat der Verbraucher dem Unternehmer aber nur dann eine Entschädigung für eine Minderung des Verkehrswerts der Ware zu zahlen, wenn dieser Wertverlust auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Ware nicht notwendigen Umgang mit derselben zurückzuführen ist. Der Verbraucher hat für den Wertverlust zudem nur dann einzustehen, wenn er gemäß § 4 Abs 1 Z 8 FAGG über sein Rücktrittsrecht belehrt wurde (vgl 6 Ob 36/20t). Die Beweislast über die erfolgte Belehrung trifft den Unternehmer (Hammerl in Kosesnik-Wehrle, KSchG5 § 15 FAGG Rz 15).
[59] Auf Basis des bisher festgestellten Sachverhalts können diese Gesichtspunkte nicht verlässlich beurteilt werden, sie wurden vor dem Erstgericht aber auch nicht ausreichend erörtert. Das Gericht darf die Parteien in seiner Entscheidung nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen, die sie nicht beachtet haben und auf die sie das Gericht nicht aufmerksam gemacht hat (RS0037300). Zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung ist daher den Parteien jedenfalls Gelegenheit zu geben, dazu vor dem Erstgericht (ergänzendes) Vorbringen zu erstatten und Beweisanbote zu stellen.
[60] Zur Klarstellung ist festzuhalten, dass die im Zusammenhang mit der Aktivlegitimation zur Rückforderung des Kaufpreises aufgeworfene Frage der Ausgestaltung der wechselseitigen Vertragsbeziehungen auch für die Passivlegitimation in Bezug auf Ansprüche aus der Nutzung des im Zuge der Rückabwicklung zurückzustellenden Fahrzeugs maßgebend ist. Der Kläger ist nur dann passiv legitimiert, wenn – wie die bisherigen Feststellungen indizieren – er und nicht die Leasinggeberin Partei des Kaufvertrags (geblieben) ist.
[61] 7. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher im gesamten Umfang aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.
[62] Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
Unsere Meinung dazu
Wenn ein Verbraucher ein Gebrauchtfahrzeug Online kauft (d.h. ohne körperliche Anwesenheit beider Parteien), steht ihm nach dem Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz (FAGG) selbst dann ein Rücktrittsrecht zu, wenn er vorher mit dem Fahrzeug eine Probefahrt durchgeführt hat. Der OGH schränkt dies aber auf den Fall ein, dass die Probefahrt nur der Informationsaufnahme gedient und nicht zu den Vertragsverhandlungen gehört hat. Wenn also vor Ort mit dem Autohändler verhandelt wird und im Zuge der Verhandlungen eine Probefahrt durchgeführt wird, verliert der Verbraucher sein Rücktrittsrecht nach dem FAGG. Diese Entscheidung ist richtig und nachvollziehbar, da der Verbraucher durch das FAGG nur vor den besonderen Risiken des Fernabsatzgeschäftes geschützt werden soll (z.B. Nichtlieferung, Lieferung defekter oder falscher Sachen, etc.).

