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Mitverschulden bei Sturz

Mitverschulden bei Sturz in Einkaufswagen­remise

OGH vom 18.10.2022, 10 Ob 45/22y:
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Mitverschulden des Klägers an seinem Sturz im Bereich der Einkaufswagenremise der Filiale der Beklagten, bei dem er sich verletzte und aufgrund dessen er Schadenersatz begehrt.[...]

Der Kläger schob seinen Wagen ganz rechts in der „Remise“ in den davor etwa auf Höhe des Endes der eingangsnahen Begrenzungskonstruktion stehenden Wagen und danach alle in dieser Reihe befindlichen Wägen zusammen, sodass der von ihm benützte Wagen als letzter in dieser entlang der rechten Metallbegrenzung stehenden Reihe etwa auf Höhe des Beginns des eingangsnahen letzten Drittels der Einfassung stand. Während dieser Manipulationen hatte er keine Sicht auf die Metalleinfassung am Boden. Er wollte noch zu einem nächst der Filiale der Beklagten liegenden Geschäft gehen und bewegte sich nach dem Loslassen des Griffs des Einkaufswagens nach rechts in Richtung der einen Zu- bzw Abgang bildenden Freifläche neben der Einfassung. Dabei blieb er mit den Füßen am Rohr hängen, was ihn stürzen ließ. Er hatte keine Möglichkeit, den Sturz durch reaktives Abstützen oder ähnliche Abwehrhandlungen noch zu verhindern.[...]

Bei Schadenersatzpflichten wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten liegt ein Mitverschulden nur dann vor, wenn ein sorgfältiger Mensch rechtzeitig erkennen konnte, dass Anhaltspunkte für eine solche Verletzung bestehen, und die Möglichkeit hatte, sich darauf einzustellen. Von einem Fußgänger ist nicht nur zu verlangen, beim Gehen vor die Füße zu schauen und der eingeschlagenen Wegstrecke Aufmerksamkeit zuzuwenden, sondern auch, einem auftauchenden Hindernis oder einer gefährlichen Stelle möglichst auszuweichen.[...]

Unsere Meinung dazu

Eine sehr salomonische Entscheidung des OGH. Einerseits wird die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten durch den Supermarktbetreiber bejaht, andererseits ein Mitverschulden des Kunden in gleicher Höhe angenommen. Unter dem Strich eine angemessene und nicht zu beanstandende Entscheidung. Dem Kunden überhaupt keine Eigenverantwortung zuzumessen, widerspräche nicht nur der Judikaturlinie des OGH sondern auch dem gesunden Menschenverstand. Soweit ein Hindernis wahrnehmbar ist, muss ein durchschnittlich aufmerksamer Mensch entsprechend darauf reagieren. Tut er das nicht, trifft ihn ein Mitverschulden - hier in gleicher Höhe wie den Supermarktbetreiber.