Gefahrenerhöhung gemäß § 23 VersVG

Ferdinand Bachinger
Admin | 06. April 2025
OGH vom 19.2.2025, 7 Ob 203/24i:
[1] Die Klägerin schloss im Jahr 2017 bei der Beklagten einen Eigenheimversicherungsvertrag für ihr Wohngebäude beinhaltend eine Feuerversicherung ab. Im Jahr 2022 wurde dieses Wohngebäude durch einen Brand beschädigt.
[2] Die dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Sachversicherung (ABS 2020/Stufe 1) lauten auszugsweise:
„Artikel 2
Gefahrerhöhung
1. Nach Vertragsabschluss darf der Versicherungsnehmer ohne Einwilligung des Versicherers keine Gefahrerhöhung vornehmen oder deren Vornahme durch einen Dritten gestatten.
[...]
2. [...] Verletzt der Versicherungsnehmer eine der in Absatz 1 genannten Pflichten, ist der Versicherer außerdem gemäß den Voraussetzungen und Begrenzungen der §§ 23 bis 31 VersVG von der Verpflichtung zur Leistung frei.
[...]“
[3] Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz des aufgrund des Brandes entstandenen Schadens.
[4] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren wegen einer von der Klägerin verschuldeten Gefahrerhöhung ab.
Rechtliche Beurteilung
[5] Die außerordentliche Revision der Klägerin dagegen zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:
[6] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und die behauptete Aktenwidrigkeit wurden geprüft; sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
[7] 2. Eine Gefahrerhöhung nach § 23 Abs 1 VersVG ist eine nachträgliche Änderung der bei Vertragsabschluss tatsächlich vorhandenen gefahrenerheblichen Umstände, die den Eintritt des Versicherungsfalls oder eine Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher macht und den Versicherer deshalb vernünftigerweise veranlassen kann, die Versicherung aufzuheben oder nur gegen erhöhte Prämie fortzusetzen (RS0080357; RS0080237). Darunter wird ein Gefährdungsvorgang verstanden, der seiner Natur nach geeignet ist, einen neuen Gefahrenzustand von so langer Dauer zu schaffen, dass er die Grundlage eines neuen natürlichen Schadenverlaufs bilden kann und damit den Eintritt des Versicherungsfalls generell zu fördern geeignet ist (RS0080491). Nur eine vom Versicherungsnehmer willkürlich herbeigeführte Gefahrenerhöhung hat Leistungsfreiheit nach § 25 Abs 1 VersVG zur Folge. Dem Wissen des Versicherungsnehmers um die Gefahrenerhöhung steht dessen verschuldetes Nichtwissen gleich, wenn dieses so schwer ins Gewicht fällt, dass es wegen der Sinnfälligkeit der Gefahr (dem Wissenmüssen) einer positiven Kenntnis gleichkommt (RS0080030 [T1]). Dem Versicherungsnehmer muss klar sein, dass seine Verhaltensweise geeignet ist, die Gefahr des Eintritts des Versicherungsfalls zu vergrößern. Es muss ihm zumindest ein der positiven Kenntnis gleichkommendes schwerwiegendes Nichtwissen um die Gefahrenerhöhung anzulasten sein (vgl 7 Ob 153/24m mwN). Ob eine bestimmte Handlung die versicherte Gefahr erhöht, ist grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls (RS0080366; RS0080357 [T10]).
[8] 3. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die erst nach Abschluss des Versicherungsvertrags erfolgte Nutzung der Räumlichkeit, von der der Brand ausging, als Garage und das Anbringen mehrerer Steckdosenverteiler an die einzig vorhandene Steckdose an denen wiederum eine Vielzahl von zum erheblichen Teil dauernd betriebenen Elektrogeräten angeschlossen wurden sowie das dort erfolgte Lagern von Treibstoff in hoher Menge ohne Installation einer Brandschutztür zum Wohnbereich, sei als verschuldete Gefahrerhöhung im Sinn des §§ 23 ff VersVG und der gleichlautenden Versicherungsbedingungen anzusehen, hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung. Wenn das Berufungsgericht der Versicherungsnehmerin ein allfälliges Nichtwissen darüber, dass das Zusammenwirken dieser Umstände das Brandrisiko drastisch erhöht, als ein der positiven Kenntnis gleichkommendes schwerwiegendes Nichtwissen anlastet, wendet es die dargestellte Rechtsprechung zum erforderlichen Verschuldensgrad ohne Korrekturbedarf an. Sekundäre Feststellungsmängel liegen dazu nicht vor, handelt es sich dabei doch um eine rechtliche Beurteilung.
[9] 4. Wenn die Klägerin in ihrer Revision damit argumentiert, dass die Nutzung der Räumlichkeit als Garage und die Treibstofflagerung per se für den Brand nicht kausal gewesen wären, übersieht sie, dass nach den Feststellungen die unmittelbare Brandursache die von ihr bewirkte Überlastung der Steckdose war und sowohl die Treibstofflagerung als auch die fehlende Brandschutztür die weitere Ausbreitung des Brandes begünstigt haben. Da all das auf eine von der Klägerin geschaffene Situation zurückzuführen ist, ist aus dieser Argumentation für sie nichts gewonnen.
[10] 5. Aus der Feststellung des Erstgerichts, wonach die Versicherungsvertreterin der Beklagten im August 2018 „die Garage sah“ folgt noch keine Kenntnis der Beklagten über gefahrerhöhende Umstände, hat doch das Erstgericht auch festgestellt, dass zu diesem Zeitpunkt weder Verteilerkabel noch Benzinkanister vorhanden waren.
[11] 6. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).
Unsere Meinung dazu
Der Sachverhalt erscheint unüblich. Einen Wohnraum in eine Garage umzugestalten, ist wohl nicht der Regelfall - eher umgekehrt. Nichtsdestotrotz war es hier so. Der Versicherungsnehmer hat Verteilersteckdosen an eine Stromquelle angeschlossen, darüber mehrere Elektrogeräte dauerhaft betrieben und größere Mengen brennbare Flüssigkeiten in seiner "neuen Garage" gelagert. Der Feuerversicherung hat er das nicht gemeldet. Den Versicherungsfall (Brand) hat die Feuerversicherung nicht gedeckt und in allen Instanzen Recht bekommen. Der OGH hat dazu ausgeführt, dass bei derartigen Änderungen am versicherten Gebäude der Versicherung die Möglichkeit eingeräumt werden muss, den Versicherungsschutz zu beenden oder die Prämie anzupassen. Das ist sachgerecht. Hier war der Schaden offenbar nicht sonderlich hoch. Das kann bei Feuerereignissen aber auch anders sein. Daher sollten alle Versicherungsnehmer gut überlegen, das versicherte Gebäude nachträglich umzugestalten, ohne die Versicherung zu informieren.