Unleidliches Verhalten eines Mieters
Ferdinand Bachinger
Admin | 06. August 2023
OGH vom 21.06.2023, 3 Ob 115/23t:
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, mit der die Aufkündigung der Klägerin wegen unleidlichen Verhaltens der Beklagten im Sinn des § 30 Abs. 2 Ziff. 3 MRG für rechtswirksam erklärt und dem Räumungsbegehren stattgegeben wurde.
Eine Kündigung wegen unleidlichen Verhaltens nach § 30 Abs. 2 Ziff. 3 MRG setzt eine Störung des friedlichen Zusammenlebens voraus, die in der Regel durch längere Zeit fortgesetzt wird oder sich in häufigen Wiederholungen äußert und überdies nach ihrer Art das bei den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falls erfahrungsgemäß geduldete Ausmaß übersteigt. Grundsätzlich ist auf das Gesamtverhalten des Gekündigten
Bedacht zu nehmen. Der Frage, ob ein konkretes Verhalten als unleidlich zu qualifizieren ist, kommt im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs. 1 ZPO zu.
Ausgehend von den bindenden Feststellungen haben die Beklagten andere Mieter im Haus wiederholt und geradezu systematisch beschimpft, beleidigt, bedroht und auch strafbarer Handlungen bezichtigt sowie diesen gegenüber unberechtigte und falsche Vorwürfe erhoben. Mit der Beurteilung, dass dieses ungebührliche und feindselige Verhalten in seiner Gesamtheit objektiv geeignet war, das friedliche Zusammenleben im Haus zu stören, haben die Vorinstanzen den ihnen eingeräumten Ermessensspielraum nicht überschritten. Auch in Bezug auf die Zukunftsprognose („Wiederholungsgefahr“) des Fehlverhaltens der Beklagten liegt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung vor.
Der Kündigungsgrund des § 30 Abs. 2 Ziff. 3 MRG setzt regelmäßig kein Verschulden des Mieters voraus. Vielmehr kommt es darauf an, ob das objektiv in Erscheinung tretende Verhalten als grob ungehörig und das Zusammenwohnen verleidend angesehen werden muss, und zwar auch dann, wenn dieses Verhalten auf eine geistige Erkrankung zurückzuführen ist. Grundsätzlich ist daher auch eine psychische Beeinträchtigung kein Freibrief für unleidliches Verhalten. Das Verhalten einer geisteskranken Person ist zwar nicht unter allen Umständen ebenso unleidlich, also für die Mitbewohner unerträglich, wie ein gleichartiges Verhalten einer zurechnungsfähigen Person. Dies ist jedoch nicht dahin zu verstehen, dass die Mitbewohner jedwedes Verhalten einer geistig behinderten Person in Kauf zu nehmen hätten, auch wenn dadurch ihre Lebensqualität in gravierender Weise beeinträchtigt wird. In solchen Fällen ist eine Interessenabwägung geboten, bei der an das Verhalten der behinderten Person ein weniger strenger Maßstab anzulegen ist.
Ausgehend von den bindenden Feststellungen führt das Fehlverhalten der Beklagten für die Mitbewohner zu einer derart enormen Belastung, dass diese die Wohnung zum Teil nicht mehr über die eigentliche Wohnungstüre, sondern über den Garten verlassen, um nicht in Kontakt mit den Beklagten zu gelangen, oder sogar den Entschluss gefasst haben, aus der Wohnung überhaupt auszuziehen. Selbst wenn man den von den Beklagten behaupteten psychischen Beeinträchtigungen (depressiven Störungen und Angststörungen) Krankheitswert unterstellte, könnte die Interessenabwägung daher nicht zu ihren Gunsten ausfallen.
Unsere Meinung dazu
Leider gibt es solche Fälle recht häufig. Leider auch, dass sich der Mieter nicht ganz freiwillig unleidlich verhält - weil er nämlich geistig behindert ist. Aber auch bei Behinderungen gibt es Grenzen. Wenn das unleidliche Verhalten derart feindselig ist, dass die anderen Mieter dem Problemmieter bewusst aus dem Weg gehen oder gar kündigen, muss eine andere Wohnsituation für den Behinderten gefunden werden. Das ist nicht sonderlich schön, mitunter aber notwendig. Die Gerichte haben das vollkommen richtig beurteilt. Warum der Fall bis zum OGH getragen worden ist, ergibt sich aus dem Sachverhalt nicht, liegt aber wohl an der gewährten Verfahrenshilfe.