Fake-Anwalt verschickt Porno-Abmahnungen nach Österreich
Ferdinand Bachinger
Admin | 22. September 2016
derstandard.at vom 22.09.2016:
In Österreich ist eine Abmahnwelle ins Rollen geraten. Von einer deutschen Anwaltskanzlei werden derzeit zahlreiche Faxe verschickt, in denen die Abgabe einer Unterlassungserklärung sowie ein Betrag von 950 Euro gefordert und mit Klage gedroht wird.
Den Empfängern – offenbar werden ausschließlich oder hauptsächlich Firmen beschickt – wird vorgeworfen, Pornofilme eines niederländischen Unternehmens illegal "verwertet" zu haben. Allerdings, so berichtet der Wiener Anwalt Johannes Öhlböck, existiert die als Absender auftretende Kanzlei Jörg Schmidt gar nicht.
Es handle sich um "den besten Abmahnfake, den ich je gesehen habe", erklärt Öhlböck gegenüber dem WebStandard. Wie viele Betroffene es gibt, lässt sich zur Zeit nicht sagen. Alleine in seiner Kanzlei liegen bislang rund zehn Fälle auf. Auch dem STANDARD wurden mehrere Faxe zugestellt.
Mittlerweile gibt es auch Berichte über Fälle in anderen Bundesländern. Die Salzburger Nachrichten vermelden das Eintreffen solcher Abmahnungen bei mehreren Salzburger Unternehmen. Eine oberösterreichische Firma berichtete dem WebStandard ebenfalls vom Erhalt von drei Abmahnungen an bereits liquidierte Tochterunternehmen. Wie jene an den STANDARD enthielten diese längst nicht mehr aktuelle Postanschriften.
Bei der Umsetzung haben sich die Hintermänner alle Mühe gegeben. Die im Schreiben angegebene Website, "kanzlei-schmidt-berlin.de", existiert und erweckt einen seriösen Eindruck. Es gibt eine Telefonnummer, E-Mail-Kontakt und ein formal korrektes Impressum. Auch die Domain ist offiziell auf die angegebene Adresse und den namensgebenden Anwalt registriert.
Ein Anruf führt zwar zu einem Anwaltsbüro, dort ist ein Jörg Schmidt allerdings nicht bekannt. Dafür beklagt das ansässige Sekretariat bereits die zahlreichen Anrufer, die sich aufgrund der Abmahn-Causa melden. Die zur Domainregistrierung gehörende Telefonnummer wiederum ist nicht zugeordnet. Zudem entpuppt sich das Foto auf der Homepage als käuflich erwerbbares Agenturbild.
Letztlich bestätigt auch die Rechtsanwaltskammer Berlin, dass es weder den fraglichen Anwalt Jörg Schmidt, noch seine angeblichen Kollegen oder die Kanzlei gibt. Sehr wohl existent ist das als Mandantin geführte Unternehmen "abbywinters.com BV", das Erotik- und Pornofilme produziert. Es bietet auch den in der Abmahnung angegebenen Film an. Die Angabe dient den Verantwortlichen hinter der Betrugsmasche, um ihr Schreiben glaubwürdig aussehen zu lassen.
Was allerdings auf den ersten Blick verdutzt ist, dass das Schreiben keine Kontonummer enthält. Dies dürfte nach Vermutung von Öhlböck dazu dienen, um das Risiko zu streuen. Opfer dürften nach Unterzeichnung und Zusendung der Unterlassungserklärung wohl eine Kontoverbindung mitgeteilt bekommen, wobei denkbar ist, dass die Täter mehrere Konten einsetzen. Gleichzeitig gewinnt man auf diesem Wege auch Zeit bis zu einer etwaigen Sperre dieser Konten.
Dass eine Überweisung über Geldtransferdienste wie Western Union oder über die Kryptowährung Bitcoin verlangt wird, ist als unwahrscheinlich anzusehen. Eine solche Anforderung durch einen angeblichen Anwalt dürfte selbst unbedarftere Adressaten misstrauisch machen.
Öhlböck stuft das Vorgehen als "versuchten Betrug" ein und empfiehlt, keinerlei Unterlassungserklärung abzugeben oder gar den geforderten Betrag zu entrichten. Auch das Bundeskriminalamt rät, nicht zu reagieren und bei bereits getätigter Überweisung bei der eigenen Bank eine Rückforderung einzuleiten.
Abmahnungen dieser Art, wie sie in Deutschland schon öfter vorgekommen sind, sind in Österreich außerdem aufgrund der geltenden Rechtslage nicht möglich, da Rechteinhaber nicht ohne Weiteres ermitteln lassen können, welche Privatperson hinter welcher IP-Adresse steckt. Bei Firmen, die im Besitz einer eigenen IP-Range sind, ist die Ermittlung einer Adresse allerdings ohne Involvierung eines Netzanbieters einfach möglich.
Unsere Meinung dazu
Abmahnungen sind nicht immer unberechtigt. Grundsätzlich sollte man sich zumindest fragen, ob an der Abmahnung etwas dran sein könnte. Argwohn schadet aber keinesfalls. In diesem Fall ein klarer Fake, ein Betrugsversuch übelster Sorte. Ob ein solcher vorliegt, kann oft in Abstimmung mit Fachleuten frühzeitig festgestellt werden.