Diversion für ÖVP Klubobbmann
Ferdinand Bachinger
Admin | 19. Oktober 2025
Kolumne aus derstandard.at vom 10.10.2025, 11:00 Uhr:
Günter Traxler
Wöginger – arschknapp unbescholten
Wie die ÖVP ihrem Klubchef einen Persilschein summa cum laude ausstellt
Der Gust Wöginger muss ÖVP-Klubobmann bleiben. Nachdem der Ethikrat der Volkspartei die juristische Arschknappheit seiner Diversion zum politischen Persilschein summa cum laude gewandelt hat, bleibt er als dauernder Stachel der Erinnerung im Hohen Haus unersetzlich. Das moralinsäuerliche Gerede um seine Taten vor der Verantwortungsübernahme kann man sich schenken, wenn ohnehin alles auf einen Triumph der Unbescholtenheit hinausläuft.
Es wird nur wenige Politiker in diesem Land geben, die sich auf den Tag genau erinnern können, wann sie Verantwortung übernommen haben. Bei Wöginger war es der Dienstag dieser Woche, was für konservative Begriffe flott ist, wenn man bedenkt, dass die Handlung, die ihm jetzt wirklich leidtut, in das Jahr 2017 fiel, also erst acht Jahre her ist. Solange ohne Verantwortung, das muss schmerzlich gewesen sein, aber dieses Leid wurde ihm bei der Gewährung der Diversion angerechnet.
Er hätte besagte Verantwortung auch schon früher übernehmen können. Etwa indem er im ständigen Bemühen um Bürgeranliegen eine bestqualifizierte Person aus den Fängen politischer Intriganten rettet und sich im Finanzministerium bei Thomas Schmid für sie einsetzt. Von deren Existenz wird er ja von den beiden Parteifreunden gewusst haben, die Stunden vor ihm ebenfalls Verantwortung übernommen haben. Auch sich dem Urteil des Gerichts zu stellen, wäre eine Möglichkeit gewesen, Verantwortung zu übernehmen. Jetzt übernimmt er Verantwortung, indem er Klubobmann bleibt, und das ist gut so, ist er doch weit und breit der einzige Politiker, der in einem Atemzug Verantwortung übernimmt und sich aus ihr stiehlt, und damit ein Beispiel moralischer Equilibristik liefert, das Kolleginnen und Kollegen zum Vorbild werden kann.
Österreichische Posse?
Für viele Beobachter bleibt Wögingers unvermittelter Wandel von einem verantwortungsfreien Saulus in einen Verantwortungspaulus rätselhaft, ohne es zu sein. Hätte Wöginger auf Diversion verzichtet und darauf beharrt, nur im Bürgerinteresse unterwegs gewesen zu sein, wären in der Verhandlung einige Zeugen mit Thomas Schmid an der Spitze unter Wahrheitspflicht aufgetreten und hätten womöglich Dinge über Gebräuche in der ÖVP zutage gefördert, an deren plausibler Rechtfertigung sogar die Mitglieder ihres Ethikrates zerbrochen wären. Sensibel, wie sie sind, darf man sie moralisch nicht überfordern. Da musste die Partei einschreiten.
Eine österreichische Posse? Vielleicht, wäre da nicht das Opfer der schwarzen Intrige, die Frau, die als Bestqualifizierte für den Posten der Leiterin des Finanzamtes Braunau-Ried-Schärding übergangen wurde. In dem ganzen Getue um die renovierte Ehre des ÖVP-Klubobmanns geht ihr Schicksal beinahe unter. Das Opfer wird zur Randfigur, es soll sich nicht ins Bild drängen. Ihr hat niemand geholfen, allein hat sie gegen das ihr angetane Unrecht gekämpft. Und jetzt? Der Gemeinheit, mit der man ihren Aufstieg zur Leiterin verhinderte, ließ das Gericht, vermutlich wohlgemeint, eine Entschädigung folgen, die man nur als finale Verhöhnung bezeichnen kann. Nach acht Jahren müssen ihr die drei Intriganten aus ihren Portokassen je 500 Euro überweisen. Sie übernehmen damit Verantwortung und bleiben unbescholten. (Günter Traxler, 10.10.2025).
Meine Meinung dazu
Viele politische Mitbewerber und Journalisten haben sich zur Diversion für August Wöginger bereits geäußert, die wenigsten positiv. Man muss den Kritikern leider Recht geben. Die Diversion ist beim angeklagten Tatbestand des Amtsmissbrauchs nicht gerade noch vertretbar, wie die Staatsanwaltschaft zu meinen scheint, sie ist überhaupt nicht vertretbar. Die Diversion ist für einen völlig anderen Anwendungsfall gedacht. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte die Diversion die Entschädigung von Verbrechensopfern beschleunigen. Im Fall von Herrn Wöginger macht es aber eher den Anschein, dass die Diversion zum Schutz des Täters eingesetzt worden ist. Und das geht eben gar nicht. Schon überhaupt gar nicht beim fallgegenständlichen Postenschacher. Der ist nämlich kein österreichisches Kulturerbe, sondern meist ein Verbrechen.

