Blog Detail

Zur Kaskoversicherung (Katamaran)

Zur Kaskoversicherung (Katamaran)

OGH vom 21.05.2025, 7 Ob 24/25t:
[1] Die Klägerin erwarb im Jahr 2008 einen Katamaran. Sie ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der österreichischen I* Privatstiftung. K* U*, der Skipper des Katamarans (in Hinkunft: Skipper), ist einer ihrer Stifter.

[2] Zwischen den Streitteilen besteht ein Kaskoversicherungsvertrag über den Katamaran mit einer Versicherungssumme von 2.120.000 EUR. Der Versicherungsvertrag wurde im Jahr 2008 von der damaligen Geschäftsführerin der Klägerin unterfertigt. Im Versicherungsvertrag ist unter anderem festgehalten: „authorised person in the event of loss: K* U*“.

[3] Dem Versicherungsverhältnis liegen die P* Bedingungen * (infolge kurz: PYKB) zugrunde. Sie lauten auszugsweise:

„§ 3 Umfang des Versicherungsschutzes
1. Der Versicherer haftet für Verlust und Beschädigung der versicherten Sache bei Strandung, Wassereinbruch, Sinken, Angrundgeraten […]
§ 6 Ausschlüsse
Der Versicherer leistet keinen Ersatz für […]
b) Schäden, die der Versicherungsnehmer vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat […]
§ 10 Obliegenheiten im Versicherungsfall
1. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, jeden Schaden dem Versicherer unverzüglich zu melden […]
2. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, aus eigener Initiative alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, die zur Abwendung und Minderung des Schadens als geeignet in Betracht kommen. Wenn der Versicherer hiezu Weisungen gibt, hat der Versicherungsnehmer diese Weisungen zu befolgen.
3. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, dem Versicherer ausführliche und wahrheitsgemäße Schadenberichte zu erstatten und dem Versicherer auf dessen Verlangen jede Auskunft zu erteilen, die aus Sicht des Versicherers zur Feststellung des Versicherungsfalls und der Leistungspflicht erforderlich ist. Belege hat der Versicherungsnehmer auf Anfordern des Versicherers beizubringen, soweit die Beschaffung zumutbar ist.
4. Wird eine der in Nr. 1 bis 3 genannten Obliegenheiten verletzt, ist der Versicherer nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen (insbesondere §§ 6, 62 VersVG) von der Verpflichtung zur Leistung frei. […]
§ 15 Allgemeine Bestimmungen
[…]
2. Es gilt österreichisches Recht als vereinbart.
[…]
4. Ist die Versicherung von mehreren Versicherern übernommen, so haften die beteiligten Versicherer nur für ihren Anteil und nicht als Gesamtschuldner. Vereinbarungen, die der führende Versicherer mit dem Versicherungsnehmer trifft, sind für die übrigen beteiligten Versicherer bindend. P* GmbH erteilt dem Versicherungsnehmer nach Anforderung schriftlich Auskunft, welche Versicherer mit welchen Anteilen an seiner Versicherung beteiligt sind.
5. Ergänzend gelten für diesen Vertrag die Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes (VersVG).“

[4] Nach dem Erwerb des Katamarans überführte der Skipper diesen unentgeltlich in die Karibik. Im Gegenzug durfte er ihn nutzen. Im Jahr 2010 versuchte die Klägerin erfolglos, den Katamaran in der Karibik zu verkaufen. Da in Europa bessere Preise erzielt wurden, beschloss sie, den Katamaran wieder nach Europa zu bringen. Der von einem Transportunternehmen durchgeführte Rücktransport des Katamarans nach Europa kostete die Klägerin ungefähr 90.000 USD. Die sonstigen Aufwendungen für den Katamaran trug der Skipper.

[5] Am 24. 9. 2012 befand sich der Katamaran in einem Hafen vor M*. Aufgrund des schlechten Wetters, einer Windstärke von fünf bis sechs Beaufort und höheren Wellen in kurzen Abständen löste sich der Katamaran – nachdem die Leinen gerissen waren – zwischen 8:00 und 8:15 Uhr und trieb von seinem exponierten Liegeplatz zum nahegelegenen, felsigen Ufer. Wären Rettungsmaßnahmen kurz nach dem Loslösen des Katamarans von der Boje oder nach dem Stranden vorgenommen worden, hätte der Katamaran wahrscheinlich gerettet werden können. Für das Setzen von Rettungsmaßnahmen wäre die Zeitspanne von 8:15 bis ca 9:00 Uhr entscheidend gewesen. Eine Bergung nach 9:40 Uhr ohne geeignete Hilfsmittel wäre zum Scheitern verurteilt gewesen.

[6] Die Klägerin begehrt als Versicherungsnehmerin von den Beklagten – einem Konsortium von Versicherungen – Zahlung aus dem Kaskoversicherungsvertrag. Selbst eine schuldhafte Herbeiführung des Versicherungsfalls durch einen Dritten, könne kein Deckungshindernis sein, sondern mache den Dritten allenfalls regresspflichtig. Es bestehe nach österreichischem Verständnis keine Haftung des Versicherungsnehmers für seinen Repräsentanten. Der Skipper sei niemals zur Abwicklung des gesamten Versicherungsverhältnisses bevollmächtigt gewesen. Die Schadensmeldung sei korrekt erfolgt.

[7] Die Beklagten wandten ein, dass der der Klägerin zuzurechnende Skipper zumindest grob fahrlässig die Strandung der Yacht herbeigeführt und sämtliche Rettungs- und Bergungsmaßnahmen vereitelt habe. Die Beklagten seien wegen zumindest grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls, Verletzung der Schadenminderungspflicht und Verletzung der Aufklärungspflicht leistungsfrei. Der Skipper sei als bevollmächtigter Vertreter der Klägerin aufgetreten. Die Nutzung der Yacht durch ihn sei dem Versicherungsvertrag zugrunde gelegen. Er sei derjenige gewesen, der den Versicherungsvertrag angebahnt und ausverhandelt habe und der im Fall eines Schadensereignisses als autorisierte Ansprechperson bzw bevollmächtigter Vertreter im Versicherungsantrag benannt worden sei. Er sei Halter der Yacht. Auch wenn er keine Funktion bei der Klägerin selbst ausübe, sei ihm die Yacht unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden. All dies spreche dafür, dass er der wahre Eigentümer der Yacht sei und ein wirtschaftliches Interesse an der Zahlung der Versicherungssumme habe. Selbst wenn man ihn lediglich als Dritten qualifizieren würde, wäre sein Verhalten im Zusammenhang mit der Erfüllung von Obliegenheiten der Versicherungsnehmerin zuzurechnen. Die Erstattung eines wahrheitsgemäßen Schadensberichts sei eine wesentliche Obliegenheit des Versicherungsnehmers. Der Skipper sei für die Erstattung des Schadensberichts sowie die Abwicklung des Schadenfalls von der Klägerin bevollmächtigt gewesen. Er habe umfangreiche unrichtige Angaben im Schadensbericht über den Schadensablauf gemacht, was der Klägerin zuzurechnen sei.

[8] Das Erstgericht wies das Klagebegehren im zweiten Rechtsgang ab. Die Klägerin müsse sich die mehrfach unrichtige Schadensmeldung durch den Skipper bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (§ 6 Abs 3 VersVG) zurechnen lassen. Werde die Obliegenheit nicht mit dem Vorsatz verletzt, die Leistungspflicht des Versicherers zu beeinflussen oder die Feststellung solcher Umstände zu beeinträchtigen, die erkennbar für die Leistungspflicht des Versicherers bedeutsam seien, so bleibe der Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung Einfluss gehabt habe. Die zumindest grob fahrlässig unrichtigen Angaben des Skippers in der Schadensmeldung hätten sowohl auf die Feststellung des Versicherungsfalls als auch auf den Umfang der Versicherungsleistung einen Einfluss gehabt.

[9] Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Klägerin Folge, änderte die Entscheidung des Erstgerichts in ein Zwischenurteil ab und sprach aus, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Aus der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Zurechnung des Verhaltens Dritter bei Obliegenheitsverletzungen sei nicht abzuleiten, dass ein Herbeiführen bzw eine nicht gehörige Abwendung des Versicherungsfalls im Sinn von § 10 Z 2 PYKB durch den Skipper der Klägerin zuzurechnen sei. Die Frage der Zurechnung sei demnach nach Vollmachtsrecht zu beurteilen und könne nur im Rahmen des Inhalts der Bevollmächtigung erfolgen. Die Beklagten hätten nicht vorgebracht, dass die in der Rechtsprechung geforderte ausschließliche Bevollmächtigung des Skippers der Versicherung gegenüber für das gesamte Vertragsverhältnis vorliege. Ob der Klägerin eine unrichtige Schadensmeldung durch den Skipper zuzurechnen sei, könne dahingestellt bleiben, weil ihr der Kausalitätsgegenbeweis gelungen sei. Da ihr das Verhalten des Skippers vor dem Eintritt des Schadenfalls nicht zuzurechnen sei, wäre die Versicherung auch bei einer wahrheitsgemäßen Schadenmeldung leistungspflichtig gewesen. Ein Täuschungsvorsatz, der den Kausalitätsbeweis ausschließen würde, liege nicht vor, weil das Erstgericht den Verschuldensgrad der groben Fahrlässigkeit positiv festgestellt habe.

[10] Gegen dieses Zwischenurteil wendet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, das klagsabweisende Ersturteil wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[11] Die Klägerin begehrt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung
[12] Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig, sie ist im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

[13] 1.1 Die Beklagten wenden Leistungsfreiheit gegründet auf § 6b PYKB (vorsätzliche/grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls), § 10 Z 2 PYKB (Verletzung der Schadensminderungspflicht) und § 10 Z 3 PYKB (Verletzung der Aufklärungsobliegenheit) ein.

[14] 1.2 Die wesentliche zu klärende Frage ist, ob das Verhalten des Skippers der Klägerin zuzurechnen ist.

[15] 2.1 § 6b PYKB entspricht § 61 VersVG – einem sekundären Risikoausschluss (7 Ob 30/13g). § 10 Z 2 PYKB beinhaltet die Obliegenheit zur Schadensminderung im Sinn des § 62 VersVG.

[16] 2.2.1 Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann die in Deutschland entwickelte Repräsentantenhaftung aus dem VersVG nicht abgeleitet werden (RS0080407). Das Verhalten eines Dritten kann daher nicht zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen (7 Ob 30/13g, 7 Ob 157/08a mzwN, 7 Ob 204/22h). Ungeachtet der Ablehnung der Repräsentantentheorie ist dem Versicherungsnehmer aber in Bezug auf Obliegenheiten das Verhalten jener Personen zuzurechnen, die er zur Abwicklung des Versicherungsverhältnisses bevollmächtigt hat (RS0019473).

[17] So wurde etwa der Hausverwalter, dem die Betreuung einer Liegenschaft oblag, dem Hauseigentümer zugerechnet. Der Hausverwalter übe seine diesbezügliche Obhutspflicht über die versicherte Sache nicht bloß aufgrund eines tatsächlichen Vertretungsverhältnisses aus, sondern aufgrund rechtlicher Gegebenheiten (Vertrag; §§ 19 ff WEG; 7 Ob 82/03i = RS0019473 [T6]; Sicherheitsvorschriften in der Leitungswasserschadenversicherung). Hingegen wurde das Verhalten des Mieters dem Eigentümer nicht zugerechnet (7 Ob 204/22h; Sicherheitsvorschriften in der Eigenheimversicherung). Ebenso wenig jenes des Prokuristen einer mietenden Gesellschaft (7 Ob 3/14p; Sicherheitsvorschriften und § 61 VersVG in der Leitungswasserschadenversicherung). Einem Mieter nicht zugerechnet wurde das Verhalten von Mitarbeitern einer von diesem beauftragten Baufirma in der Haushaltsversicherung (7 Ob 126/20k). Auch bei einem Makler, der ein leerstehendes Haus betreute, wurde eine Zurechnung im Hinblick auf die Pflicht, die Wasserleitungen abzusperren verneint. Eine Zurechnung käme nur dann in Betracht, wenn der Makler ausschließlich als Vertreter des Versicherungsnehmers zur Abwicklung des Versicherungsverhältnisses dem Versicherer gegenüber bestellt worden wäre. Habe der Makler dagegen aufgrund eines tatsächlichen Vertretungsverhältnisses die Obhut über die versicherte Sache ausgeübt, sei er nur als Repräsentant des Versicherungsnehmers anzusehen (7 Ob 33/85). Weiters wurde das Verhalten des (Gemein-)Schuldners, der vom Masseverwalter als LKW-Fahrer eingesetzt wurde, in der Kaskoversicherung nicht zugerechnet. Der Versicherungsnehmer habe dem (Gemein-)Schuldner keine betriebstechnischen Organisations-, Leitungs- oder Überwachungsbefugnisse übertragen (7 Ob 157/08h). Schließlich verneinte der Oberste Gerichtshof zur Gebäudeversicherung die Zurechnung des Verhaltens des Geschäftsführers des (Gemein-)Schuldners, der sich um die Heizungen kümmern hätte müssen. Der Geschäftsführer übe lediglich die Obhut über die versicherte Sache aus und sei daher (nur) als Repräsentant des Klägers anzusehen (7 Ob 25/12w).

[18] 2.2.2 Aus dieser Rechtsprechung folgt, dass das Verhalten eines Dritten dem Versicherungsnehmer nur dann zuzurechnen ist, wenn dieser ausschließlich als Vertreter des Versicherungsnehmers zur Abwicklung des Versicherungsverhältnisses dem Versicherer gegenüber bestellt worden ist. Eine Zurechnung kommt demnach nur dann in Betracht, wenn der Versicherungsnehmer die Verantwortung darüber, wie im Rahmen des Versicherungsverhältnisses gegenüber der Versicherung vorzugehen ist, gänzlich aus der Hand gegeben hat und die dritte Person insofern an seine Stelle tritt. Hingegen ist es nicht ausreichend, wenn die dritte Person nur die Obhut über die Sache hat.

[19] 2.3 Von dieser Rechtsprechung abzugehen, bietet die Revision keinen Anlass. Die insbesonders aufgeworfene Rechtsfrage, ob eine verbandsrechtliche Zurechnung des Machthabers (§ 337 ABGB) zu einer juristischen Person als Versicherungsnehmerin auch bei Obliegenheitsverletzungen zu erfolgen habe, stellt sich hier nicht. Machthaber sind Personen, die in der Organisation der juristischen Personen eine leitende Stellung innehaben und dabei mit eigenverantwortlicher Entscheidungsbefugnis ausgestattet sind (RS0009113 [T40]). Der Skipper hatte nach den Feststellungen allerdings nicht nur keine leitende, sondern gar keine verbandsrechtliche Stellung für die Klägerin inne. So ist selbst ein Pilot kein Machthaber des Luftfahrzeughalters (1 Ob 53/95). Er war auch nicht zur Abwicklung des Versicherungsverhältnisses bevollmächtigt, sondern lediglich zur Nutzung der Yacht berechtigt.

[20] 2.4 Abgesehen davon, dass die Beklagten im erstgerichtlichen Verfahren gar nicht vorbrachten, dass der Kapitän eines Schiffes die zivil- und strafrechtliche Verantwortung für die Sicherheit von Schiffen und Besatzung auf der ganzen Welt trage, weshalb er als Machthaber des Versicherungsnehmers anzusehen sei, bleibt auch völlig offen, inwiefern die von ihr in diesem Zusammenhang bemühten Bestimmungen des (österreichischen) SchFG (Schifffahrtsgesetzes) im vorliegenden Fall überhaupt Geltung haben sollten (vgl § 1 SchFG).

[21] 2.5 Davon ausgehend erweist sich die Beurteilung des Berufungsgerichts, die allfällige vorsätzliche/grob schuldhafte Herbeiführung der Schäden oder eine allfällige Verletzung der Schadensminderungspflicht durch den Skipper sei der Klägerin nicht zuzurechnen, als zutreffend.

[22] 2.6 Leistungsfreiheit der Beklagten gestützt auf § 6b und § 10 Z 2 PYKB scheidet daher aus.

[23] 3.1 § 10 Z 3 PYKB regelt die Aufklärungsobliegenheit. Die Zurechnung des Verhaltens Dritter bei derartigen Informationsobliegenheiten wird in der Lehre als weitgehend unproblematisch betrachtet, weil diese durch die Anwendung der allgemeinen Grundsätze des bürgerlichen Rechts gelöst werden kann (vgl Fenyves/Perner/Riedler, VersVG [12. Lfg 2023] zu § 6 VersVG Rz 42, 64 f; Hafner, Drittzurechnung bei Obliegenheitsverletzung und Herbeiführung des Versicherungsfalls? 226 ff; vgl 7 Ob 6/97a, 7 Ob 70/15t, 7 Ob 140/16p). Der Versicherungsnehmer haftet für eine falsche, unvollständige, verspätete oder gar unterlassene Information des Versicherers durch den damit beauftragten Dritten gleich wie für eigenes Verschulden (RS0105784 [T1]).

[24] 3.2.1 Aus den Feststellungen, insbesondere aus der Formulierung „authorised person in the event of loss: K* U*“ folgt jedenfalls dessen Bevollmächtigung zur Erstattung von Schadensmeldungen. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass die Parteien bereits bei Abschluss des Versicherungsvertrags davon ausgingen, dass K* U* Skipper der Yacht sein werde, weshalb er auch am besten Auskunft zu allfälligen Schadensfällen geben konnte.

[25] 3.2.2 Mit dem Vorbringen der Klägerin zu dem Verhalten der Beklagten Jahre nach Abschluss des Versicherungsvertrags lässt sich keine vom Wortlaut des Versicherungsvertrags abweichende Absicht der Parteien bei Vertragsabschluss begründen. Die Auslegung des Vertrags ist daher aufgrund des Wortlauts vorzunehmen. Aus diesem ergibt sich – wie schon erwähnt – eindeutig, dass der Skipper jedenfalls mit der Abwicklung von Schadensfällen gegenüber den Beklagten bevollmächtigt war. Dies entspricht im Übrigen auch dem anfänglichen – noch nicht an den Prozessverlauf angepassten – Vorbringen der Klägerin. Dass der Skipper die Schadensmeldung nicht mit ausdrücklichem Hinweis auf die Vertretung der Klägerin verfasste, schadet nicht. Aus den erkennbaren Gesamtumständen – Bevollmächtigung des Skippers zur Schadensabwicklung im Versicherungsvertrag, Verfassung der Schadensmeldung konkret durch diesen – konnte objektiv nur darauf geschlossen werden, dass der Skipper im Rahmen der ihm erteilten Bevollmächtigung für die Klägerin tätig wurde.

[26] 3.2.3 Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die allfällig unrichtige Schadensmeldung durch den Skipper ist der Versicherungsnehmerin zuzurechnen, ist zutreffend.

[27] 3.3.1 Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall dienen dem Zweck, den Versicherer vor vermeidbaren Belastungen und ungerechtfertigten Ansprüchen zu schützen. Die Drohung mit dem Anspruchsverlust soll den Versicherungsnehmer motivieren, die Verhaltensregeln ordnungsgemäß zu erfüllen, ihr kommt eine generalpräventive Funktion zu (RS0116978). Der Versicherte ist damit verpflichtet, nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhalts beizutragen und alles zweckdienliche zur Aufklärung des Schadensereignisses selbst dann vorzunehmen, wenn es seinen eigenen Interessen zum Nachteil gereichen sollte (RS0080972 [insb T1 und T12]). Sie soll nicht nur die nötigen Feststellungen über den Unfallablauf, die Verantwortlichkeit der Beteiligten und den Umfang des erlittenen Schadens ermöglichen, sondern auch die Klarstellung aller Umstände gewährleisten, die für allfällige Regressansprüche des Versicherers von Bedeutung sein können (RS0081010). Durch die Aufklärung soll der Versicherer in die Lage versetzt werden, sachgemäße Entscheidungen über die Behandlung des Versicherungsfalls zu treffen. Es genügt, dass die begehrte Auskunft abstrakt zur Aufklärung des Schadensereignisses geeignet ist (RS0080833, RS0080205 [T1, T2]). Den Versicherer trifft die Beweislast für das Vorliegen des objektiven Tatbestands einer Obliegenheitsverletzung. Im Fall eines solchen Nachweises ist es dann Sache des Versicherungsnehmers zu behaupten und zu beweisen, dass er die angelastete Obliegenheitsverletzung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig begangen hat (RS0081313 [T32]), wobei eine leichte Fahrlässigkeit ohne Sanktion bleibt (RS0043728 [T4]). Gelingt der Beweis der leichten Fahrlässigkeit nicht, so steht nach § 6 Abs 3 VersVG auch bei „schlicht“ vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung (RS0086335) der Kausalitätsgegenbeweis offen (RS0116979 [T8]; RS0081287 [T7]). Unter dem Kausalitätsgegenbeweis ist der Nachweis zu verstehen, dass die Obliegenheitsverletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers einen Einfluss gehabt hat (RS0116979). Er ist „strikt“ zu führen und setzt voraus, dass ihm eine Beweislage zugrunde liegt, die jener gleichwertig ist, die der Versicherte durch seine unrichtigen Angaben zerstört oder eingeschränkt hat (RS0079993; RS0081225 [T1]).

[28] 3.3.2 Richtig ist, dass nach der Rechtsprechung die Aufklärungspflicht des Versicherungsnehmers auch Angaben zu allfälligen Regressansprüchen des Versicherers umfasst, deren Verletzung allenfalls Schadenersatzansprüche gegenüber dem Versicherungsnehmer hervorrufen können. Der Kausalitätsgegenbeweis betrifft hingegen den Nachweis, dass die Obliegenheitsverletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistungspflicht einen Einfluss gehabt hat. Dies folgt aus § 6 Abs 3 VersVG. Das bedeutet: Der Versicherer bleibt leistungspflichtig, soweit die Obliegenheitsverletzung keinen Einfluss auf die von ihm zu erbringende Versicherungsleistung gehabt hat. Hat die Obliegenheitsverletzung daher nur Einfluss auf allfällige Regressansprüche des Versicherers, bewirkt dies keine Leistungsfreiheit des Versicherers, sondern könnte allenfalls Schadenersatzansprüche begründen.

[29] 3.4.1 Der Kausalitätsgegenbeweis ist dann ausgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer eine Obliegenheit mit Schädigungs- bzw Täuschungsvorsatz verletzt, also mit dem Vorsatz, die Leistungspflicht des Versicherers zu beeinflussen oder die Feststellung solcher Umstände zu beeinträchtigen, die erkennbar für die Leistungspflicht des Versicherers bedeutsam sind (7 Ob 92/19h). Nur jener Versicherungsnehmer, der eine Obliegenheit mit dem Vorsatz verletzt, die Beweislage nach dem Versicherungsfall zu Lasten des Versicherers zu manipulieren (sogenannter „dolus coloratus“) hat daher seinen Anspruch verwirkt (RS0081253 [T10]; RS0109766). Dafür ist nicht erforderlich, dass der Versicherungsnehmer geradezu und ausschließlich mit dem Ziel handelt, den Versicherer zu täuschen (Betrugsabsicht); es genügt, wenn er erkennt, dass die von ihm dargelegten oder unvollständig angegebenen Umstände, die für die Beurteilung der Leistungspflicht des Versicherers maßgeblich sind, letzteren beeinträchtigen oder fehlleiten können und er sich damit abfindet. Täuschung liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer einen Vermögensvorteil anstrebt, aber auch, wenn er durch die Angaben unrichtiger Tatsachen einen für berechtigt gehaltenen Anspruch durchsetzen oder einfach „Schwierigkeiten“ bei der Schadensfeststellung verhindern will (RS0109766). Dolus coloratus muss zumindest in der Form des dolus eventualis vorliegen (7 Ob 222/02a = RS0081253 [T5]). Dagegen sind absichtlich unvollständig gemachte Angaben des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer, die sich erkennbar nicht darauf beziehen, diesen zu täuschen, nicht als „dolus coloratus“ zu werten und erlauben dem Versicherungsnehmer den Kausalitätsgegenbeweis (RS0109767). Die Frage, ob dem Versicherungsnehmer „dolus coloratus“ vorzuwerfen ist, ist primär eine Tatfrage (7 Ob 141/15h; RS0109766 [T10]).

[30] 3.4.2 Gelingt dem Versicherer der Nachweis einer Obliegenheitsverletzung, wird vermutet, dass der Versicherungsnehmer mit dem Vorsatz gehandelt hat, die Leistungspflicht des Versicherers zu beeinflussen oder die Feststellung solcher Umstände zu beeinträchtigen, die erkennbar für die Leistungspflicht des Versicherers von Bedeutung sind (Ramharter in Fenyves/Perner/Riedler VersVG [7. Lfg 2021] § 33 Rz 115). Der Versicherungsnehmer muss daher nachweisen, dass es ihm bei der Obliegenheitsverletzung am Täuschungsvorsatz mangelte (7 Ob 222/02a; 7 Ob 92/19h).

[31] 3.5 Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen von dolus coloratus. Es ging davon aus, dass durch die „Konstatierung“ des Erstgerichts innerhalb der Feststellungen, die unrichtigen Angaben beim Verfassen der Schadensmeldung seien „nicht mehr mit leichter Fahrlässigkeit zu erklären“ im Zusammenhang mit der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts, wonach „zumindest grobe Fahrlässigkeit“ vorliege, wiederum in Zusammenhalt mit der Verneinung des Gelingens des Kausalitätsgegenbeweises durch das Erstgericht, eine Feststellung zum Fehlen von dolus coloratus getroffen worden sei. Diese Ansicht ist nicht haltbar. Die „Konstatierung der leichten Fahrlässigkeit“ in den Feststellungen des Erstgerichts ist keine Tatsachenfeststellung, sondern gleichfalls rechtliche Beurteilung. Diese vermag – auch im Zusammenhang mit den weiteren Rechtsausführungen des Erstgerichts – die Feststellungen zum (Nicht-)Vorliegen von dolus coloratus nicht zu ersetzen. Es liegt damit keine Tatsachenfeststellung zum Vorliegen von dolus coloratus vor.

[32] 3.6 Damit erweist sich auch die weitere Ansicht des Berufungsgerichts, dass es vor diesem Hintergrund und der Bejahung des Gelingens des Kausalitätsgegenbeweises, einer Prüfung, ob der Skipper unwahre, der Klägerin zurechenbare, Angaben in der Schadensmeldung verfasste, nicht bedürfe, als unzutreffend. Das Berufungsgericht unterließ aber die Behandlung der von der Beklagten in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrüge genauso wie die von der Klägerin in ihrer Berufung erhobene Beweisrüge.

[33] Damit gibt es aber schon keine gesicherte Sachverhaltsgrundlage, die die Beurteilung erlaubt, ob durch unrichtige Angaben im Schadensbericht die Aufklärungsobliegenheit verletzt wurde.

[34] 3.7 Dass die von der Beklagten als notwendig erachteten Angaben zu den konkreten Umständen im Zusammenhang mit dem Unfallablauf und der Verantwortlichkeit der Beteiligten – letzteres insbesondere vor dem Hintergrund der erst im vorliegenden Verfahren geklärten (Nicht-)Zurechnung des Verhaltens des Skippers – jedenfalls aus ex-ante-Sicht abstrakt auf die Feststellung des Versicherungsfalles und der Leistungspflicht der Beklagten Einfluss haben könnten, wird zu Recht nicht angezweifelt. Erst, wenn die Obliegenheitsverletzung bejaht würde, stellte sich dann die Frage nach dem Grad des Verschuldens, dem Kausalitätsgegenbeweis und dem Vorliegen von dolus coloratus.

[35] 4. Der Revision war daher Folge zu geben. Die Entscheidung des Berufungsgerichts war aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an dieses zurückzuverweisen.

[36] 5. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Unsere Meinung dazu

Der Sachverhalt mag wenig praxistauglich erscheinen. Eine Privatstiftung nimmt einem Skipper sein Spielzeug in der Karibik weg. Das passiert nicht jeden Tag. Die versicherungsrechtlichen Folgen schon. Das Spielzeug wurde bei der Überstellung nach Europa offenbar zerstört. Der Skipper dürfte die Schadensmeldung vergeigt haben. Fraglich ist, ob sich die Versicherung aus dem (wohl recht teuren) Versicherungsfall wegen einer Obliegenheitsverletzung hinauswinden kann. Der Fall ist noch nicht endgültig entschieden, aber die Antwort ist wohl eher nein. Nur dann, wenn ein unmittelbarer Vollmachtnehmer die Pflichten gegenüber der Versicherung verletzt, kann Leistungsfreiheit eintreten. Der bloße Skipper des Spielzeugs zählt wohl eher nicht dazu.